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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Türpfosten ihr als Stütze diente und sie nicht in Gefahr lief, wieder zu fallen.
    Die junge Frau wunderte sich über sich selbst, dass sie alles schaffte. Es steckte doch etwas Kraft in ihr, und auch der Schwindel war verschwunden. Zwar zitterte sie in den Knien, das ließ sich jedoch aushalten.
    Zum ersten Mal merkte sie die Kälte an ihrem Körper. Marietta fror in ihrem Nachthemd. Sie konnte nicht sagen, woher dieses Gefühl kam. Es war einfach da, und auf ihrem Körper bildete sich eine Gänsehaut.
    Corinna hielt ihr das Kleid entgegen. Sie stand da wie die Verkäuferin in einem Brautmodengeschäft. Nur sahen diese Frauen nicht aus wie halb verweste Leichen.
    »Nimm es!«
    Für Marietta gab es keine Alternative. Sie musste gehorchen. Mit zitternden Händen fasste sie nach dem Stoff, wobei sie Mühe hatte, ihn fest zu halten.
    Jetzt fiel ihr auf, dass das Kleid bereits aufgeknöpft war. Sie konnte ohne Probleme hineinschlüpfen.
    Das, was eigentlich für kurz vor der Hochzeit geplant worden war, geschah nun jetzt und auch unter völlig anderen Voraussetzungen. Nicht ihre Mutter und eine Friseuse waren dabei, sondern ein stinkendes Wesen, dessen Geruch ihr den Magen immer wieder hoch bis in die Kehle trieb und den dort sitzenden Kloß weiter verdickte.
    Es gibt Gelegenheiten im Leben eines Menschen, da ist die Zeit nicht mehr vorhanden. So erging es Marietta Harper. Sie hatte das Gefühl für Zeit völlig verloren. Sie fühlte sich wie in einem luftverdünnten Raum stehend. Alles war anders geworden. Sie bewegte sich wie ein Automat. Es war nicht das erste Mal, dass sie das Kleid anzog. Sie hatte es ja schon anprobieren müssen, und jetzt klappte alles wunderbar, als hätte sie in ihrem Leben schon immer Hochzeitskleider anprobiert.
    Marietta zog es hoch, sodass der Bund mit dem Hals abschloss.
    Das dünne Nachthemd störte nicht weiter. Dass sich der Stoff leicht verschob, war ihr egal. Sie befand sich in einem seltsamen Traum.
    Sie schwor in diesen Augenblicken der Wirklichkeit ab, aber sie wurde wieder mit ihr konfrontiert, als die kalten Finger sich an ihrem Rücken zu schaffen machten und das Kleid provisorisch zuknöpften. Nicht hoch bis zum Nacken, die Hälfte der Knöpfe reichte aus, um es zu halten.
    Marietta Harper stand da wie eine Schaufensterpuppe. Auch die Augen hatten den leeren Ausdruck einer solchen bekommen. Sie blickte nach vorn, aber sie sah nichts. Die junge Frau konnte nur fühlen. Das Kleid lag sehr luftig und leicht auf ihrem Körper. Der Druck des Stoffs war über dem Nachthemd kaum zu spüren. In ihrem Gehirn gab es auch keine Gedanken mehr, die dafür gesorgt hätten, dass sie sich auf bestimmte Dinge konzentrierte, aber es gab nicht nur die Leere in ihr. Zugleich spürte sie so etwas wie eine Botschaft, die sie erfasst hatte und von dem Kleid ausging.
    Eine andere Erklärung fand sie nicht. Die Botschaft musste von dem Kleid ausgehen. Eine merkwürdige Wärme hielt sie erfasst, und sie hatte auch den Eindruck, als sollte ihr der eigene Wille genommen werden. Das Kleid war präsent. Es hielt sie in seinem Griff. Es war überall. Es strömte eine Kraft und eine Macht aus, der sie nichts entgegensetzen konnte. Sie fühlte sich nicht mehr frei und wie eine Gefangene in einem Käfig. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, aber sie wusste selbst nicht, woran sie überhaupt dachte. Alles war so anders geworden.
    Sie stand auf dem Boden. Trotzdem glaubte sie, über ihn hinwegzuschweben, wobei sie an der gleichen Stelle blieb. Nein, sie schwankte nicht, obwohl sie glaubte, es zu tun.
    Es hatte sich alles verändert. Das Licht der Kerzen bewegte sich, als stünden sie auf einem Boot und nicht auf festem Boden. Sie sah nicht mehr als einen kleinen Ausschnitt des Zimmers, und der wurde ihr wenig später noch genommen, als plötzlich vor ihr die hässliche Gestalt der Corinna Moncour erschien.
    Vor Marietta blieb sie stehen.
    Sie war zufrieden, denn sie nickte. Das Licht der Kerzen fiel gegen ihren Rücken und umrahmte den Körper mit einem schwachen rötlichen Schein, in dem gelbe Reflexe tanzten.
    »Du bist eine schöne Braut, Marietta…«
    Sie gab keine Antwort.
    »Ja, eine sehr schöne. So schön war ich damals auch. Aber alles wird sich ändern, meine kleine Freundin, alles. Du wirst die andere Seite des Lebens kennen lernen. Du wirst merken, welche Macht in diesem wunderbaren Kleid steckt, das dich zwingt, etwas zu tun. Du kannst dich nicht dagegen wehren. Du wirst alles tun müssen,

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