1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd
Faszination ausgestrahlt haben, und das nicht nur in der heutigen Zeit.«
»Moment mal, Mrs. Kiddy. Wenn ich richtig darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass dieses Hochzeitskleid heute noch existiert. Oder sehe ich das falsch?«
»Nein, das sehen Sie nicht falsch.«
Ich verengte die Augen. »Könnte es sein?«, fragte ich dann, »dass dieses Kleid noch hier ist?«
Mein Gegenüber schluckte. Ich sah, dass Margot Kiddy zu kämpfen hatte. »Ich wäre glücklich, wenn es so wäre«, flüsterte sie.
»Leider ist das nicht der Fall. Ich hatte das Kleid besessen. Es war mein persönliches Prunkstück, aber leider wurde es mir entwendet.«
»Gestohlen also.«
»So kann man es auch nennen.«
Zwischen uns entstand eine Schweigepause. Ich schaute die Frau an und hatte dabei das Gefühl, dass sie wirklich mitgenommen war und einen inneren Kampf ausfocht. Sie bewegte ihre Hände, und die gesamte Gestalt verkrampfte sich.
Erst nach einer Weile traute ich mich, ihr wieder eine Frage zu stellen. »Haben Sie denn einen Verdacht, wer Ihnen das Kleid gestohlen haben könnte?«
»Das weiß ich leider nicht. Es kam weg, als ich nicht hier war. Ich hätte es nie aus der Hand gegeben oder verkauft, so aber…« Sie deutete auf einen schmalen Schrank, dessen Tür geschlossen war.
»Dort hat es gehangen. Immer wenn es mir in den Kopf kam, habe ich die Tür geöffnet und es mir angeschaut. Es war wie ein kleines Wunder. So herrlich rein, so unantastbar und nicht für fremde Hände bestimmt. Es wollte und sollte nur von besonderen Frauen getragen werden.«
»Wie diese Corinna Moncour.«
»Genau.«
»Die es vom Teufel genäht bekam.« Meine Skepsis war noch nicht verflogen, und ich schob die nächste Frage nach. »Warum hat er es gerade für sie geschaffen?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen.«
»Vielleicht ungenau.«
»Bitte, mehr ernst. Man sagte dieser Corinna Moncour nach, dass sie etwas Besonderes gewesen ist. Manche Menschen sprachen davon, dass sie es nur bekommen hat, weil sie eine Hexe gewesen ist.«
»Aha.«
»Mehr sagen Sie nicht?«
»Nicht im Moment.«
Damit wollte sich die Schneiderin nicht zufrieden geben. »Akzeptieren Sie denn, dass es Hexen gibt?«
Ich schaute Margot Kiddy bei meiner Antwort fest in die Augen.
»Ja, das akzeptiere ich.«
»Dann ist es gut.«
»So, Mrs. Kiddy, noch mal von vorn. Das Kleid ist Ihnen gestohlen worden, und jetzt möchten Sie, dass ich es finde.«
»Genau.«
»Warum ist Ihnen das so wichtig?«
Vor ihrer Antwort schluckte sie. Dann schaute sie sich scheu um und senkte die Stimme. »Es ist mir deshalb wichtig, weil ich mir sehr große Sorgen um denjenigen mache, der dieses Kleid anziehen wird. Er… das heißt sie, sie weiß nicht, was sie sich damit angetan hat. Es ist nicht nur Brautkleid, sondern auch Leichenhemd, und somit trägt sie dann den Tod an ihrem Körper.«
Das hörte sich alles sehr krass an. Und so fragte ich sich: »Haben Sie da nicht etwas übertrieben, Mrs. Kiddy?«
»Nein, denn ich weiß Bescheid. Ich bin voll informiert.« Die nächsten Worte flüsterte sie über den Tisch hinweg. »Dieses Kleid ist böse, Mr. Sinclair, glauben Sie mir.«
Tja, was sollte ich glauben und was nicht? Ich wusste es selbst nicht. Die Geschichte hörte sich einfach zu fantastisch an, aber ich wusste auch, dass gerade diese Geschichten oft sehr nahe an die Wahrheit herankamen.
»Sie müssen sich deshalb beeilen, Mr. Sinclair. Das Brautkleid muss so schnell wie möglich gefunden werden, bevor es noch weiteres Unheil anrichten kann. Ich habe es stets verwahrt. Ich habe ein Auge darauf gehalten, aber jetzt bin ich hilflos und benötige dringend die Unterstützung einer kompetenten Persönlichkeit.«
Mir war das zu dick aufgetragen. Deshalb sagte ich: »Mal langsam, Mrs. Kiddy. Aber lassen Sie uns mal davon ausgehen, dass ich es tatsächlich schaffe, das Kleid zu finden. Wie soll es dann weitergehen?«
»Sie bringen es zu mir zurück.«
»Gut. Und dann?«
»Bleibt es hier, denn hier ist es sicher.«
»Sie wollen es nicht zerstören? Oder wollen, dass ich dieses Kleid vernichte? Vielleicht verbrenne und…«
»Hören Sie auf!«, rief sie. »Nein, so etwas kann ich nicht hören. Das macht mich wahnsinnig. Sie dürfen dieses Kleinod nicht vernichten. Es ist ungemein wertvoll. Es ist ein Relikt aus der Vergangenheit, und es stecken besondere Kräfte darin. Man muss es verwahren, aber man muss es auch behüten.«
»Was Ihnen ja nicht gelungen ist.«
Sie
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