1332 - Die Höhlen der Ewigkeit
Schluchten Ijarkors hetzten, entdeckte ich nicht mehr. In der Nähe des Kriegerpalasts schoß eine vielfarbige Lichtfontäne in die Höhe und verlor sich in den Weiten des Abendhimmels. Das Bild des mächtigen Gebäudes verschwamm für Sekunden vor meinen Augen. Der Boden unter meinen Füßen bebte leicht. Ich verspürte plötzlich eine Angst, gegen die auch die Innere Ruhe nicht mehr half. „Was ist das, kleine Kera?" rief ich aufgeregt nach unten. „Die Sänger von Ophal haben mit dem eigentlichen Festgesang zum Spiel des Lebens begonnen", antwortete Kera-Hua-Zatara dumpf. „Es geschieht so, wie ich es bereits aus der jungen Zukunft gesehen habe. Der gemeinschaftliche Gesang von einer Million Ophalern nach den Melodien Salaam Siins wäre eigentlich ganz harmlos, aber doch bringt er ein psionisches Beben, das weite Teile der Galaxis Siom Som erschüttern wird."
„Was?" Ich wollte in aller Eile zu Kera hinabklettern, aber sie bat mich, am Ausguck zu verweilen. „Ich verstehe das nicht. Ich weiß nur, daß mich ein Grauen packt."
„Ich verstehe es auch nicht", gab sie zu. „Aber ich höre die Gedanken des Meistersingers Siin.
Er dringt soeben mit seinen Begleitern in die Höhlen der Ewigkeit ein. Er denkt an die psionischen Energien, die den Gesang seiner Artgenossen begleiten. Diese wirken auf die Vorgänge der psionischen Maschinerie des Königstors ebenso ein, wie auf die des Teleportsystems, das die beiden Planeten Som und Somatri samt den Monden Culio und Ijarkor untereinander verbindet."
„Ich verstehe nichts", rief ich wieder. „Aber ich höre Schüsse und den Lärm von Kämpfen."
Kera-Hua-Zatara reagierte nicht auf meine Worte. Sie fuhr in einer Art Selbstgespräch fort: „Die psionischen Energien des Gesangs der Ophaler erzeugen eine Resonanz in den technischen Systemen des Teleports und der Heraldischen Tore. Die Energien schaukeln sich gegenseitig auf. Und die Sänger von Ophal liefern immer neue Impulse. Auf Ijarkor hat diese Entwicklung schon begonnen. Das Teleport-System funktioniert hier nicht mehr. Lainish und seine Helfer sind in der Fortbewegung nun so stark behindert, daß Salaam Siin und die beiden Terraner ihnen zunächst ausweichen können. Aber der Anführer des Hauses der Fünf Stufen hat Vorsorge gegenüber seinen Gegnern getroffen. Sie werden nicht so bald zu ihrem Raumschiff gelangen."
„Wir können doch nicht tatenlos hier herumstehen." Ich bekam meine Aufregung nicht unter Kontrolle. Die Kräfte der Innere Ruhe versagten fast zur Gänze. Mein Chitinpanzer begann rhythmisch zu beben. Ich verstand nun aber, warum sich Salaam Siin und die beiden Terraner zu Fuß bewegten. Sie hatten gewußt, daß das Teleportsystem kurz vor dem Zusammenbruch stand. „Beobachte weiter", bat mich Kera-Hua-Zatara. „Ich bin zu sehr mit rhir selbst beschäftigt. Die psionischen Energien des Gesangs der Ophaler dringen auch in mich ein. Ich bin ein Resonanzpunkt."
Ich ahnte, daß dies etwas mit ihrer Todesahnung zu tun hatte und schwieg voller Betroffenheit.
Noch sah die Pflanze aber ganz normal aus. Der Kampflärm, der verzerrt durch die Höhlen der Ewigkeit an meine Hörnerven gedrungen war, war plötzlich nicht mehr vorhanden. „Bedeutende Dinge, unheimliche Dinge", sprach Kera-Hua-Zatara leise und für mich kaum noch hörbar. Ich starrte wieder durch das Guckloch.
Die seltsamen Lichterscheinungen dauerten an. „Die Resonanz greift nun auf den Planeten Som über", hörte ich die Pflanze. „Die technischen Knotenpunkte der dortigen Teleportanlagen explodieren unter der Wucht cler psionischen Energien des Gesangs."
„Ich kann Som nicht sehen", antwortete ich. „Natürlich nicht, du alter Narr. Die Entfernung ist zu groß."
„Der ganze Himmel liegt in einem fahlen grünen Licht, Kera."
„Jetzt bricht das Königstor zusammen, Alter. Dadurch wird die überlichtschnelle Schockfront ausgelöst, die zusammen mit dem Gesang der Ophaler auf Paüliar und Lombok die psionische Energie in alle anderen Heraldischen Tore übertragen wird. Die größte Katastrophe von Siom Som steht bevor. Und in mir toben sich diese Energien nun auch aus. Ich breche ..."
Sie brach mitten im Satz ab. Ich raste zu ihr hinunter.
Ihr Blütenkopf hatte sich geschlossen. Die vier Blätter hingen schlaff nach unten, und der Stamm neigte sich bedrohlich zur Seite. „Kera!" schrie ich. „Du darfst nicht sterben!"
„Eis", flüsterte sie kaum hörbar. „Besorge Eis, viel Eis." 6. „Erzähl mir noch eine
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