1333 - Mordgelüste
Der Gegenstand, der mich eigentlich zum Sohn des Lichts machte, der so viel wert war, dass er mit Geld nicht zu bezahlen war.
Bei »normalem« Verstand hätte ich es längst wissen müssen und hätte darüber auch gelacht, aber die Normalität war nicht mehr vorhanden, weil ich mich irgendwo selbst verloren hatte.
»Verstanden?«
»Ja!«
»Gib es her!«
Alles, nur das nicht. Ich hätte beinahe gelacht. Verdammt, was verlangte der Mistkerl von mir? Das Kreuz abzugeben. Es freiwillig in andere Hände zu drücken. Auf keinen Fall konnte ich das zulassen. Das würde ich nie und nimmer tun.
Warum steckte meine rechte Hand in der Tasche? Warum streichelten die Finger das leicht erwärmte Metall? Warum rief ich nicht die Formel, um diesem Spuk ein Ende zu bereiten?
Es gab sie doch. Ja, es gab sie – aber wie lautete der Text? Irgendwas hätte ich rufen müssen, nur…
»Du kannst es vor dir auf den Boden legen, Sinclair!«
Verschwunden waren meine Gedanken. Völlig ausgelöscht. Ich zwinkerte mit den Augen, und als ich zum zweiten Mal auf meine rechte Hand schaute, da sah ich das Kreuz dort liegen.
In diesen langen Momenten betrachtete ich es wie einen fremden Gegenstand. Es war ungewöhnlich. Mir fehlte einfach die Beziehung zu ihm. So handelte ich auch nach der nächsten Aufforderung.
»Wirf es einfach vor dir auf den Boden!«
Von wegen, das würde ich nicht tun.
Das leise Klirren überzeugte mich vom Gegenteil. Ich hatte es getan und konnte mich nicht daran erinnern, dass es geschehen war.
Als ich es jetzt anschaute, lag es etwa eine halbe Körperlänge vor mir und gab ein helles Blinken ab.
Das war nicht zu fassen. Das war doch nicht ich gewesen, der das Kreuz einfach aus der Hand gegeben hatte. Unmöglich – nein, das konnte nicht stimmen.
»Danke, Sinclair. Du bist sehr kooperativ.« Er verhöhnte mich und sprach weiter. »Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es für mich so einfach sein würde.«
Wollte er eine Antwort?
Ich gab ihm keine. Ich war leer. Ich stand unter seiner Knotrolle.
Er hielt die Fäden in den Händen.
»Weißt du, was das bedeutet, Sinclair?«
»Was meinst du damit?«
»Du hast dein Kreuz nicht mehr.«
»Ja, das weiß ich.«
»Und damit bist du waffenlos, mein Freund. Du hast es mir freiwillig gegeben. Denk darüber mal nach. Kannst du dich je daran erinnern, das Kreuz freiwillig abgegeben zu haben?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Bestimmt nicht«, erklärte er mit fester Stimme. »Nein, du wirst es freiwillig nicht abgegeben haben. Es ist, nein, es war dein Rettungsanker. Aber jetzt bist du ohne, und damit bist du auch eine Beute für den Schwarzen Tod…«
***
Der Kopf zog Suko in seinen Bann. Nicht dass er von ihm hypnotisiert worden wäre, aber dieses gläserne Gebilde hatte schon etwas und strahlte etwas aus, das Suko mit Worten nicht so leicht erklären konnte.
Es war ein künstlicher Kopf und zugleich ein Kunstwerk. Davon ging er einfach aus. Aber er wusste auch, dass sich Künstler, wenn sie etwas schufen, auch etwas dabei dachten, und das war bei diesem gläsernen Kopf nicht anders.
Wer immer ihn erschaffen hatte, womöglich Saladin selbst, musste sich etwas dabei gedacht haben. Für Suko war er nicht einfach ein Begrüßungskopf, der den eintretenden Gästen eine gewisse Furcht einjagen sollte, was sicherlich bei den meisten der Fall war.
Nein, hier steckte etwas anderes dahinter. Das war Suko klar, ohne dass er allerdings die genaue Lösung kannte.
Glotzte ihn der Kopf an?
Ja, so konnte man den Ausdruck seiner Augen bezeichnen. Es war schon ein Glotzen der hellen Augen, und Suko gelang auch ein Blick tief in das Innere hinein, das jenseits dieser Augen lag. Da gab es nichts, was sich unbedingt abzeichnete, aber der Schädel war auch nicht leer. Innerhalb des Glases waren schon Einschlüsse zu erkennen, und Suko wurde dabei an Nervenstränge erinnert.
Er dachte plötzlich an den Würfel des Unheils. Auch in ihm bewegten sich Schlieren, wenn er aktiviert wurde. Das Gleiche konnte unter Umständen auch mit dem Kopf passieren, doch das waren Theorien. Um die Wahrheit herauszufinden, musste Suko näher an ihn heran. Erst dann konnte er ihn untersuchen.
Seine Schritte waren kaum zu hören, als er über den Boden ging.
Die Nerven waren angespannt. Über seine Haut hinweg rann ein Kribbeln, und den Strahl der Lampe hielt er geradewegs auf den gläsernen Schädel gerichtet.
Auch als er näher an ihn herankam, erkannte er keine Veränderung. Der Kopf
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