1342 - Die Totmacher
ihr das nur? Es ist nämlich sehr wichtig.«
»Ja, sie war nicht allein.«
»Wo habt ihr die Gruppe gesehen?«
Warum die beiden zu kichern begannen, wussten wir nicht. Aber wir ließen sie lachen und hörten dann der Antwort zu.
»Sie waren am Haus der alten Schachteln. Sie wissen doch, wer so genannt wird?«
»Ja, die Lehrerinnen.«
»Genau.«
»Und was haben sie da gemacht?«
Jetzt ließen sie sich wieder Zeit mit einer Antwort. Danach erfuhren wir, dass sie es so genau nicht gesehen hatten, aber alles wies darauf hin, dass sie das Haus betreten wollten, denn geklingelt hatten sie bereits.
»Und warum seid ihr nicht hineingegangen?«, erkundigte ich mich.
»Weil kein Licht hinter den Fenstern brannte.« Wieder erklang das Kichern. »Die alten Schachteln haben sich bestimmt unter ihren Betten versteckt. Vielleicht machen wir ihnen noch mal richtig Angst.«
Ich fragte konkret nach. »Habt ihr denn gesehen, ob Wendy und ihre Freundinnen in das Haus hineingegangen sind?«
Jetzt gerieten sie ins Grübeln. Die eine war dafür, die andere sprach dagegen. Es blieb bei einem sehr zweifelhaften »Kann sein«.
Für uns war die Fragerei damit beendet.
Wir bedankten uns für die Auskünfte und hörten wieder das Lachen der pubertierenden Kichererbsen. Dabei gingen sie auf den Brunnen zu, wo schon ihre Typen warteten. In der grauen Suppe sahen sie aus wie Nebelgespenster.
»Sie sind der Polizist, Mr. Sinclair. Bitte, was sagen Sie zu diesen Aussagen?«
»Wir sollten ihnen glauben.«
»Gut. Und warum sollten wir das?«
»Weil es die einzige konkrete Spur ist, die wir bisher bekommen haben. Deshalb.«
»Konkret ist etwas anderes.«
»Egal, wir sollten uns das Haus ansehen. Ist es weit von hier?«
Ethan Blaine winkte ab. »Was ist hier schon weit in Ratley. Wir sind in ein paar Minuten dort.«
»Dann sollten wir auch hingehen.«
Mrs. Blaine und Suko trafen bei uns ein. »Habt ihr etwas von Wendy gehört?«
Der Anwalt nickte. »Im Prinzip schon. Es könnte eine Spur sein.«
»Und wo?«
Ethan Blaine übernahm die Antwort. »Du kennst doch das Haus, in dem die Lehrerinnen wohnen? Die Schwestern…«
»Die alten Schachteln.« Karen schlug sich gegen den Mund, als hätte sie zuviel gesagt.
»Genau die.«
»Was wollten sie denn dort?«
»Die alten Schachteln erschrecken.«
»Wir sollten gehen«, drängte ich, denn in mir baute sich ein ungutes Gefühl auf.
***
Da stand er!
Er war keine Puppe. Er war auch kein Halloween-Gespenst. Er stand da wie er leibte und lebte, und in seinem verdammten Kopf steckte die Axt, deren Griff schräg zur Seite schaute.
Die Axt steckte nicht wirklich in seinem Kopf. Dann hätte sie den Schädel in zwei blutige Hälften geteilt. Der Kopf war durch eine Masse verlängert worden, aber das war nicht wichtig. Unheimlich und schlimm sah er schon aus.
Wendy wusste, das er ihretwegen gekommen war. Nur konnte sie es den Freundinnen nicht vermitteln. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Ihre Freundinnen schienen begriffen zu haben, dass dieser Axttyp Wendy nicht ganz unbekannt war und stellten deshalb auch die entsprechenden Fragen.
Cilly fing an. Hinter der Frankensteinmaske klang ihre Stimme licht verändert.
»Kennst du ihn?«
Wendy schwieg.
»He, ich habe dich was gefragt. Kennst du ihn?«
»Ich habe ihn schon gesehen.«
»Wo?«
»Bei uns im Garten.«
»O Scheiße. Ist er hinter dir her?«
»Weiß nicht.«
»Aber hinter den Schachteln. Er und seine Tussi.« Cilly wurde im nächsten Monat 13. Dementsprechend anders war auch ihr Wortschatz. Sie gehörte zu denen, die nicht auf den Mund gefallen waren, aber jetzt bekam auch sie es allmählich mit der Angst zu tun. Ihre Maske ließ sie noch auf, aber sie flüsterte Wendy ins Ohr:
»Ich glaube, wir sollten besser abhauen.«
»Das geht nicht.«
»Wieso?«
»Die lassen das nicht zu. Die wollen mich, ehrlich.«
»Und wer sind sie?«
Lou Gannon hatte die letzte Frage gehört und gab darauf eine Antwort. »Die Totmacher«, flüsterte er. »Wir sind die Totmacher, versteht ihr.« Dann folgte ein Lachen.
Von diesem Zeitpunkt an war für die vier Freundinnen der Halloween-Spaß vorbei. Sie merkten genau, dass es für sie ernst wurde, aber sie trauten sich nicht, sich zu bewegen.
Selbst dann nicht, als der Mann mit der Axt im Kopf die letzten zwei Stufen hinabging. Er tat es mit der Würde und der Sicherheit eines Siegers, der alles in den Händen hielt. Nichts würde ihm mehr entgleiten. Er war jemand, der die Angst der
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