1352 - Beute für den Sensenmann
anhoben.
Unser Ziel war die Quelle des Rauschens. Ich ging davon aus, dass sich dort auch das Ende des Gangs befand und wir direkt gegen die Wellen laufen konnten.
Es irrt der Mensch solange er lebt, heißt es. In diesem Fall irrte ich mich, denn der unterirdische Felsentunnel hörte sehr schnell auf, und so erreichten wir wirklich die Höhle, nach der wie schon vorher gesucht hatten.
Die Decke veränderte sich über unseren Köpfen zu einer regelrechten Kuppel, die auch das rauschende Echo zurückwarf.
Licht gab es hier nicht. Ich verfolgte einen bestimmten Plan und schaltete meine Lampe aus. Godwin tat es mir nach, und so standen wir im Dunkeln, um uns an die Umgebung zu gewöhnen.
So richtig traf das nicht zu. Denn es war nicht zu finster. Wenn wir nach vorn schauten, entdeckten wir schon den hellen Streifen am Ende der Höhle. Dort rauschte es auch, und so blieb nur eine Möglichkeit. Da führte die Höhle zum Wasser hin. Man konnte sich leicht vorstellen, dass bei Sturm auch das Wasser in sie und in den Tunnel hineingedrückt wurde.
»Und wo ist der Schatz?«, fragte ich leise.
»Den finden wir auch!«
Nach dieser Bemerkung machten wir uns auf die Suche. Diesmal wieder im Schein der Lampen, die in die verschiedenen Richtungen strahlten.
Diesmal hatte ich das große Glück. Mein Freund Godwin hatte den Zugang entdeckt. Ich aber sah den Schatz!
Im ersten Moment fühlte ich mich hineinversetzt in die Vergangenheit. Ein derartiges Bild hatte ich schon öfter gesehen. In alten Filmen, und als Junge hatte ich auch in Piraten- und Seefahrergeschichten etwas Ähnliches gesehen.
Da standen tatsächlich zwei Truhen auf dem Boden. Dass sie nicht mehr heil und auseinander gebrochen waren, störte mich weniger.
Mir kam es nur auf den Inhalt an, der sich durch den Innendruck teilweise aus den Truhen hervor gepresst hatte.
»Godwin…« Ich musste nicht laut sprechen. Die Stimme erhielt hier einen Hall.
Er war schnell bei mir. Als er mich erreichte, stand ich bereits neben den beiden Truhen und ließ den Lichtkegel der Lampe über den Inhalt hinweg leiten.
Ich hörte, wie mein Templerfreund tief Luft holte. »Himmel!«, flüsterte er dann. »Es ist tatsächlich war.«
»Wie du siehst.«
Jetzt schaute er sich ebenfalls den Inhalt an.
Gold und wertvoll aussehendes Geschmeide glänzten im Schein unserer Lampen auf. Ketten, Armreife, wertvolle Kreuze und auch alte Gewänder.
Godwin de Salier war sprachlos, und ich konnte mich auch gut in ihn hineinversetzen. Er musste sich so fühlen wie sich dieser Orry auch gefühlt hatte. Nur gab es einen großen Unterschied zwischen den beiden.
Orry war ein Dieb gewesen. Godwin de Salier aber war der rechtmäßige Erbe des Templer-Schatzes, auch wenn Hunderte von Jahren vergangen waren.
Verrückt, aber herrlich verrückt. Ich wusste genau, wie seine Gedanken Purzelbaum schlugen. Er brauchte nicht alles zu verkaufen, nur einen kleinen Teil. Aber wenn das Geld dann floss, musste er nicht Freunde anbetteln, um sich Geld zu leihen oder schenken zu lassen. Mit der Summe, die ihm bestimmte Dinge einbrachten, konnte er das Templer-Kloster wieder aufbauen. Größer und schöner als es bisher gewesen war.
»Ich fühle mich wie erschlagen, John. Wie erschlagen.« Er schüttelte den Kopf. »Das kann nur ein Traum sein.«
»Das ist aber keiner.«
»Ja, Ich weiß. Trotzdem habe ich weiche Knie bekommen. Dass es so laufen würde, hätte ich nicht gedacht. Jetzt brauchen wir den Schatz nur zu bergen und einige Dinge zu verkaufen, dann…«
»So habe ich auch gedacht.«
»Das werde ich auch tun. Er soll uns zugute kommen, denn wir sind die Erben unserer Vorfahren.«
Ich wusste, welche Gedanken durch seinen Kopf jagten. Godwin de Salier war momentan der Realität etwas entglitten, und das war auch nicht schlimm. Dafür blieb ich mit beiden Beinen auf dem Boden und dachte auch einen Schritt weiter.
Ließ man den Schatz wirklich einfach so unbewacht in der Höhle liegen? Daran konnte ich nicht glauben, denn mir kam das Skelett in den Sinn, dass Orry getötet hatte. Für mich war es der Wächter des Schatzes, auch wenn ich es im Moment nicht sah.
Ich wollte zudem nicht darüber nachdenken, wo es sich aufhalten könnte, für mich war etwas anderes viel wichtiger. Diese Höhle besaß einen Ausgang und damit eine Verbindung zum Meer. Genau dort wollte ich hin. Godwin sagte ich nichts von meinem Vorhaben.
Er war mit dem Schatz beschäftigt. Das würde auch noch eine Weile so
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