1364 - Killer-Engel
zu und fasste ihn an der rechten Hand an.
»Komm mit!«
»Äh – wohin denn?«
»Einfach weg von hier!«
»Aus der Wohnung?«
»Nein, nur in ein anderes Zimmer.« Purdy zog den Jungen bereits auf die Tür zu.
Im ersten Augenblick hatte er gedacht, dass sie ihn allein lassen wollte, doch jetzt war er froh, dass er auf dieser Etage bleiben konnte, obwohl er noch immer nicht wusste, was Purdy Prentiss so erschreckt hatte. Er traute sich auch nicht, eine Frage zu stellen.
Im Flur brauchte sie nicht lange zu überlegen und riss die Tür zum Bad auf.
»Geh da rein!«
»Und dann?«
»Wartest du ab, bis ich dich wieder hole. Wir werden gleich Besuch von zwei Freunden bekommen. Dann wirst du deine Ruhe haben, daran glaube ich fest.«
So sicher war sich Bruce nicht. Aber er konnte auch nichts dagegen tun. Es war besser, wenn er gehorchte, denn Mrs. Prentiss wusste bestimmt besser, was für ihn gut oder schlecht war.
So sprang er über die Schwelle, setzte sich auf den Rand der Wanne und sah, dass die Tür heftig geschlossen wurde.
Begriffen hatte er noch immer nichts…
***
Purdy Prentiss war froh, den Jungen nicht mehr an ihrer Seite zu haben. Auch wenn das Bad keine hundertprozentige Sicherheit garantierte, er war zunächst mal aus der unmittelbaren Gefahrenzone gebracht worden, und nur das zählte.
Die Staatsanwältin gönnte sich ein paar Sekunden, um nachzudenken. Sie blieb im Flur stehen, stemmte die Hände der angewinkelten Arme in die Seiten und ließ sich den Plan, den sie in der Hektik gefasst hatte, noch mal durch den Kopf gehen.
Ja, es gab keinen besseren!
Zielsicher schritt sie auf die Tür des Schlafzimmers zu. Sie riss die beiden Türhälften des Kleiderschranks auf und schleuderte die Sachen zur Seite, die ihr Freund Eric La Salle getragen hatte.
Sie schaute auf die Waffen.
Die Pistole steckte sie in den Hosenbund an ihrer linken Bauchseite. Dann bückte sie sich noch mal und suchte in den Stichwaffen herum. Ein Kampfschwert mit schmaler Klinge hing von der Rückwand des Schranks herab nach unten.
Als sie den Griff umfasste, da durchfloss sie ein ungewöhnlicher Strom. Allein durch die Berührung der Waffe fühlte sie sich wieder zurückversetzt in das Leben, das sie einst als Kriegerin in Atlantis geführt hatte.
Es war schon seltsam, aber in ihrer neuen Existenz hatte sie nichts von diesen Fähigkeiten verlernt. Plötzlich lag ein harter Glanz in ihren Augen.
Purdy wusste, dass es zu einem Kampf kommen würde. Noch verließ sie das Schlafzimmer nicht. Sie dachte daran, ihre beiden Freunde anzurufen, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Wahrscheinlich hätten sie zu viele Fragen gestellt, was nicht gut war, denn so etwas kostet Zeit.
Sie öffnete die Wohnungstür spaltbreit, holte sich einen Schuh und stellte ihn so hin, dass die Tür nicht mehr zu fallen konnte. Wenn ihre beiden Freunde kamen, sollten sie wenigstens freien Zutritt zur Wohnung haben.
Nach dieser Maßnahme zeigte sich Purdy einigermaßen zufrieden und kümmerte sich um den Fortlauf der Dinge. Sie nahm wieder den Weg zurück zum Wohnzimmer. Für einen Moment blieb sie vor der Tür stehen. Dabei strafften sich ihre Schultern, und es war zu hören, wie sie schnaufend Luft holte.
Purdy war noch immer dieselbe Person, aber zugleich eine andere, eine Kämpferin, die mit einer entschlossenen Bewegung die Tür auframmte…
***
Wie ein zitterndes Bündel saß Bruce Everett auf dem Rand der Wanne. Er hatte eine geduckte Haltung eingenommen wie jemand, dem eine schwere Last auf die Schultern gedrückt worden war.
Er schaute ins Leere. Er hätte die Umgebung sehen müssen, die beiden Waschbecken, die Dusche, das Regal mit den Handtüchern in verschiedenen Größen und Farben, aber er sah nichts, denn er war eingefangen in seinem Trauma, das ihm erst jetzt so richtig zu Bewusstsein gekommen war. Was ihm die letzte halbe Stunde gebracht hatte, das war nicht mit normalen Regeln zu erklären.
Auch wenn er sich beim Nachdenken anstrengte, er kam zu keinem Resultat. So etwas übertraf seine Vorstellungskraft, und in seinen Eingeweiden rumorte die Angst.
Es war so still geworden. Nichts hörte er aus der Wohnung. Gerade die Stille sorgte bei ihm für die große Furcht, denn er konnte sich vorstellen, dass Mrs. Prentiss es selbst nicht mehr ausgehalten und ihre Wohnung verlassen hatte.
Er war zurückgeblieben und konnte sehen, wir er damit fertig wurde.
Eigentlich war das nicht ihre Art. Besonders die letzte halbe Stunde hatte sie
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