1364 - Killer-Engel
kennst sie. Du bist schon mal dort gewesen. Du hast dort gelebt. Verstehst du nun, was ich damit meine?«
»Atlantis?«
Sein Lachen klang ebenso schrill wie seine Stimme. »Ja, Atlantis. Das neue Atlantis. Die Welt, die wieder aufgebaut wurde. Die neu entstand, in der aber noch die alten Regeln gelten.«
Er brauchte sich nicht näher über die Regeln auszulassen, denn ich wusste jetzt, von welch einem Paradies er sprach. Und mein Freund Suko wusste es ebenso.
Es war Atlantis, und es war zugleich die Welt des Schwarzen Tods, die wir als Vampirwelt kannten. Sie war von diesem Superdämon annektiert worden, und in ihr wollte er das neu erschaffen, worin er sich so wohl gefühlt hatte. Atlantis eben.
Bisher hatten wir nur davon gehört und keinen Blick hineingeworfen. Das sollte sich seiner Meinung nach ändern. Wir hätten jedem getraut, nur eben nicht dem verdammten Engel der Lügen.
Belial wollte uns aufs Glatteis führen.
Ob er mit dem Schwarzen Tod zusammenarbeitete, stand für uns noch nicht fest. Ausschließen wollte ich es nicht. Die beiden passten irgendwie zusammen, und ich freundete mich sogar mit dem Gedanken an, ihm zu glauben, denn in der neuen Welt des Schwarzen Tods konnte nur der überleben, der auf seiner Seite stand. Das war bei uns nun mal nicht der Fall. Also konnte sich Belial leicht ausrechnen, was der Schwarze Tod mit uns anstellen würde. Und wenn er dies geschafft hatte, war er zumindest zwei seiner härtesten Feinde los.
Purdy Prentiss gefiel meine lange Denkpause nicht, denn sie musste davon ausgehen, dass ich dem Lügenengel plötzlich zustimmen würde.
»John, nein, auf keinen Fall. Du kannst dich von dieser Gestalt nicht reinlegen lassen.«
»Das weiß ich!«
»Warum reagierst du dann so?«, rief sie. Die Furcht in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Ich kann es dir sagen. Belial lügt doch nicht.«
Die Antwort galt mehr ihm, und so fasste er es auch auf. »Nein, ich lüge nicht. Ich spreche die Wahrheit. Ich habe nie gelogen, denn ich bin der Wahrheit verpflichtet.«
Wären Balken unter der Decke gewesen, sie hätten sich bestimmt gebogen. Aber so rieselte nicht mal Kalk nach unten.
Der Lügenengel fuhr mit seiner Handfläche über das Gesicht und streifte auch die Haare zur Seite. »Ich habe euch einen Vorschlag gemacht. Ihr solltet nicht lange zögern. Denn ich kann euch den Weg zeigen. Oder wollt ihr die neue Welt des Schwarzen Tods nicht erleben?«
Es reizte mich schon. Und Suko sicherlich auch. Aber wir hatten unsere Bedenken. Gerade bei ihm. Hätten uns Myxin oder Kara den Vorschlag gemacht, hätten die Dinge ganz anders ausgesehen. Dann wären wir auch sicher gewesen, wieder zurückzukommen. So aber blieb dieser unsichere Faktor bestehen.
Der Lügenengel versuchte es jetzt auf eine andere Tour. Er nahm sich Purdy Prentiss vor.
»Was ist mit dir? Du hast dort schon mal gelebt! Willst du nicht sehen, was aus deiner alten Heimat geworden ist?«
»Nein, das will ich nicht. Ich will, dass du aus meinem Leben verschwindest. Hast du das verstanden? Ich will dich hier nicht mehr sehen!«
Belial hatte seinen Spaß. »Sie wirft mich raus! Hast du das gehört, Sinclair? Sie will es nicht. Sie ist eine Spielverderberin. Aber ihr kommt doch mit – oder?«
»Nein, tut es nicht!«
Ich schwankte noch. Suko ebenfalls. Belial war nicht zu trauen.
Einer wie er hielt immer einen Trumpf in der Hinterhand versteckt.
Was so harmlos aussah, zog ein dickes Ende nach sich, und wir beide wussten genau, was wir uns freiwillig antun würden.
Belial drehte sich um.
Er wollte nichts mehr mit uns zu tun haben.
Er brachte uns zugleich in einen Zugzwang. Wir mussten uns jetzt entscheiden, sonst war es zu spät.
So sah die eine Seite aus.
Es gab noch eine andere!
Belial war unser Feind. Dass er erschienen war, um uns einen bestimmten Vorschlag zu unterbreiten, änderte nichts daran. In der letzten Zeit hatte die Zahl der Feinde zugenommen, und so durften wir uns eigentlich nicht die Chance entgehen lassen, uns eines unserer Feinde zu entledigen.
»Wir packen ihn!«, flüsterte ich Suko zu.
»Das denke ich auch.«
Es war perfekt. Von der Optik her und vom Ablauf der Dinge konnte nichts schief gehen.
Suko zog bereits seine Peitsche hervor.
Ich dachte an mein Kreuz und schaute zugleich auf Belials Rücken.
Der Lügenengel brauchte nur noch einen Schritt zu gehen, um den Balkon zu erreichen.
»Jetzt!«, sagte ich nur.
Zugleich starteten wir!
***
Was sich dabei in meinem Kopf
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