1365 - Belials Lügenwelt
vielleicht eine Antwort weißt.«
»Ich weiß nichts mehr.«
Bei einem anderen Jungen hätte die Staatsanwältin nicht weiter gefragt, aber sie kannte Bruce. Sein Verhalten stimmte nicht mehr; es war anders als normal geworden. Etwas bedrückte ihn noch, auch wenn die andere Welt in einer lichten Explosion zerrissen worden war.
»Ein wenig weißt du schon, nicht?«
»Es ist alles kaputt. Alles kaputt.« Seine Stimme klang ohne Ton.
Sie passte sich seinem stoischen Ausdruck an.
»Wirklich alles, Bruce?«
»Ja.«
»Auch er?«
Da hatte Purdy die richtige Frage gestellt, den Bruce hörte mit seinen Bewegungen plötzlich auf. Zudem hatte sich sein Blick verändert. Er war längst nicht mehr so nach innen gekehrt.
»Der Graue?«
»Ja – Belial!«
Es war zu sehen, wie Bruce schauderte. Der Name macht ihm Angst. Er blickte sich nervös um, als stünde der Lügenengel hier im Zimmer oder in der Nähe auf dem Balkon.
Bruce deutete gegen seinen Kopf und sagt dabei mit leiser Stimme:
»Er ist noch da.«
»Gut, mein Junge, sehr gut. Und was ist mit seinen Engeln? Den bleichen Wesen?«
»Auch noch…« Der Junge schaute sich um. »Aber nicht so weit wie Belial.«
»Dann kannst du sie spüren?«
Bruce Everett nickte zögernd. Zu einer weiteren Aussage war er nicht bereit. Er zog stattdessen die Beine an, rückte in die Ecke der Couch, die Jane gegenüber lag, nahm sich noch ein Kissen mit und presste es gegen seine Brust.
Einwandfrei eine Geste der Angst, wie die beiden Frauen merkten und sich das durch ihr Nicken bestätigten.
»Wenn das zutrifft, was der Junge gesagt hat«, flüsterte Jane, »können wir mit ihnen rechnen. Belial steckt voller Hass. Er selbst hält sich zurück. So etwas kennt man. Er wird sie herschicken, denke ich.«
Von Bruce Everett erhielten sie keine Bestätigung oder nur eine indirekte. Er schaute stur nach vorn, eben zum Balkon hin. Das sicherlich nicht, um die Cavallo zu beobachten, die dort noch immer stand wie ein finsterer Wächter mit hellen Haaren.
Purdy wandte sich an Jane Collins. »Du meinst, dass er den Kontakt noch immer aufrecht erhält?«
»Bestimmt. Schau ihn nur an. Das ist kein normales Verhalten. Nur fürchtet er sich dieses Mal. Er will nicht mehr malen, das hat er uns gezeigt. Möglicherweise hat er auch Angst vor der eigenen Courage bekommen. Wer weiß das schon? Und ich bezweifle, dass er uns eine Antwort geben wird, wenn wir ihn fragen.«
»Ja, das glaube ich auch.« Die Staatsanwältin schaute den Jungen einige Sekunden an. Er war in sich selbst versunken. Am liebsten hätte er sich hinter dem Kissen versteckt, wäre es nur größer gewesen. So klammerte er sich nach wie vor daran fest, sprach kein Wort mehr und atmete nur heftig.
Warum Belial gerade Bruce ausgesucht hatte, darüber konnte Jane nur spekulieren. Möglicherweise hatte er erkannt, wie sensibel er für gewisse Dinge war. Sensitiv veranlagt. Er war jemand, der Strömungen erfassen konnte. Um eine genaue Analyse zu geben, wusste Jane einfach zu wenig über Bruce.
Sie holte tief Luft und wünschte sich fast, dass etwas passierte. Das Warten schlug ihr aufs Gemüt.
Aus dem Zimmer schicken wollte sie den Jungen auch nicht. Er musste unter Beobachtung bleiben, ihn allein zu lassen, hätte für ihn lebensgefährlich werden können.
Die Bewegung der blonden Bestie lenkte sie ab. Justine Cavallo drehte sich um und betrat das Zimmer. Dicht vor der Tür blieb sie stehen. Die Lippen zeigten ein Lächeln, das nicht eben warm und freundlich war, sondern wissend.
Bevor eine der Frauen eine Frage stellen konnte, sprach sie bereits.
»Sie sind unterwegs, ich spüre es. Wir können damit rechnen, dass sie bald hier sind. Aber es muss etwas passiert sein, das habe ich auch festgestellt. Ich kann nicht sagen, was es gewesen ist, nur sollten wir verdammt auf der Hut sein.«
»Sprichst du von Belial?«, fragte Jane.
»Nicht unbedingt.«
»Dann sind es seine Helfer«, erklärte Purdy. »Die verdammten Killerengel.«
Bruce hatte alles gehört. Er sprach laut. Trotzdem war seine Stimme nur leise zu hören, weil der Klang durch das Kissen gedämpft wurde. »Ja, ja, sie kommen. Das weiß ich genau. Das spüre ich. Sie werden uns überfallen.«
Der Junge sagte nichts mehr. Er zeigte nur seine Angst, die stärker geworden war, denn jetzt drückte er das Kissen vor sein Gesicht, sodass er nichts mehr sehen konnte.
Noch in der gleichen Sekunde hörten die Anwesenden das Geräusch. Es klang von draußen her zu
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