1369 - Eine grausame Wahrheit
Helligkeit auf. Sie hatte sich jetzt allerdings zurückgezogen, denn der Tag war dabei, sich zu verabschieden. Über den Himmel hinweg breiteten sich die Krallen der Dämmerung aus. Lange, sehr lange Schatten schickten sie, und die Sonne, die den Tag über geschienen hatte, führte im Westen einen letzten Kampf, den sie verlieren würde, um als roter Glutball im Nichts zu versinken.
Um das Haus herum war es dunkler geworden. Schatten strichen heran und gaben der Umgebung ein völlig anderes Gesicht. Es dunkelte mehr ein, und die Bäume verwandelten sich in starre Gespenster.
»Worüber denkst du nach?«, fragte der Pfähler.
Glenda hob die Schultern. »Über einen Kreislauf. Tag und Nacht. Nacht und Tag. Egal, an welch einem Ort der Welt man sich aufhält, es geschieht immer das Gleiche. Das große Ganze bleibt. Nur was sich dazwischen abspielt, verändert sich.«
»Und es ist das, was wir Menschen Geschichte oder Evolution nennen«, fügte Frantisek hinzu, bevor er lachte. »Himmel wir beide werden plötzlich so nachdenklich und philosophisch.«
»Das gehört auch dazu.«
»Richtig. Wie die Nacht.« Der Pfähler räusperte sich. »Und gerade die Dunkelheit ist etwas Besonderes, wenn ich daran denke, dass es noch zwei Verfolger gibt.«
Glenda schaute hoch. »Denkst du daran, dass sie sich hier bei dir zeigen werden?«
»Damit rechne ich. Ich gehe davon aus, dass sie sich versteckt gehalten haben, um zumindest die Dämmerung abzuwarten. Zombies sind Geschöpfe der Nacht. Wie auch meine besonderen Freunde, die Vampire. Die Dunkelheit ist ihr Freund. Sie gibt ihnen Sicherheit und schenkt Vertrauen. Da fühlen sie sich wohl. Ich denke, dass wir uns auf einiges einstellen müssen in den nächsten Stunden.«
»Sie werden also kommen?«
»Das steht für mich fest.«
Glenda nickte. »Ja, und jetzt bin ich froh, dich hier gefunden zu haben. Alleine wäre ich wohl verloren.«
Der Pfähler hatte aufstehen wollen, ließ es dann jedoch bleiben und setzte sich wieder. »Du darfst das nicht so sehen, Glenda, denn du bist nicht mehr die Person wie früher. In dir stecken jetzt andere Kräfte. Du kannst Reisen unternehmen, wovon andere Menschen nur träumen. Die Gabe der Teleportation ist nicht jedem gegeben, und so denke ich, dass es noch sehr interessant werden wird.«
»Bisher habe ich Glück gehabt.«
Der Vampirjäger schüttelte den Kopf. »Es ist nicht nur Glück gewesen, Glenda. Du selbst hast auch einiges dazu beigetragen.« Er stand jetzt auf und drehte sich vom Tisch weg.
»Wo willst du hin?«
Marek lächelte. »Man nennt mich nicht umsonst den Pfähler. Ich will mir nur meine Waffe holen.«
Glenda musste den Einwand aussprechen. »Das sind keine Vampire, Frantisek.«
»Ich weiß. Doch kannst du dir nicht vorstellen, dass der Pfahl auch Zombies vernichten kann?«
»Wenn man es so sieht, schon. Eine Waffe hätte ich auch gern. Wäre mir alles vorher bekannt gewesen, dann…«
»Keine Sorge, du bekommst sie.«
»Einen Pfahl?«
»Nein. Dank unserer gemeinsamen Freunde bin ich noch mit anderen Waffen ausgerüstet.« Er zwinkerte mir zu. »Mit einer Pistole kannst du sicherlich umgehen?«
»Klar.«
»Dann hole ich sie jetzt.« Er hob die Schultern. »Du musst schon entschuldigen, Glenda. Normalerweise habe ich sie immer griffbereit. In der letzten Zeit ist allerdings recht wenig passiert.« Er grinste breit. »Ich habe schon angefangen, mich zu langweilen. Aber das ist wohl jetzt vorbei, denke ich.«
Auf einmal war der Pfähler wieder jung geworden. Er drehte sich mit einer geschmeidigen Bewegung um und ging in Richtung Treppe, um das Obergeschoss zu erreichen.
Glenda blieb allein und sehr nachdenklich zurück. Sie war in diesen Augenblicken auch froh, nicht mehr reden und sich auf einen anderen Menschen konzentrieren zu müssen, weil sie sich selbst genug war. Außerdem gehörte sie zu den Menschen, die sich als Optimisten bezeichneten. Sie war dem Schicksal schon dankbar, das sie hergeführt hatte. Auch wenn sie verfolgt wurde, sie besaß jetzt einen Helfer, und das war für sie sehr wichtig.
Marek war nach oben gegangen. Er blieb auch vorerst dort. Glenda lehrte ihr Glas, bevor sie aufstand. Sie wollte sich wieder bewegen. Das lange Sitzen war nichts für sie. Auch wollte sie nachdenken und dabei versuchen, so etwas wie eine Zukunft für sich zu finden, was nicht leicht sein würde. Niemand konnte in die Zukunft hineinschauen. Das war auch ihr nicht möglich, trotz der neuen Kräfte. Aber man konnte
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