1369 - Eine grausame Wahrheit
Schock noch immer nicht richtig verdaut, denn sie sprach sehr hektisch in ihr Handy hinein.
Die Kollegen sah mich kommen. Sehr freundlich schauten sie mir nicht entgegen.
»Was wollen Sie?«
Ich schaute den Sprecher an. Er war kleiner als ich. Er schwitzte, und so hatten sich Schweißtropfen auf seine Sommersprossen gelegt.
Ich zeigte ihm meinen Ausweis.
Auch jetzt war er nicht eben begeistert. »Sorry, aber was könnte ich schon für Scotland Yard tun?«
»Amtshilfe leisten.«
»Wobei?«
Jetzt wurde es kritisch, denn ich bewegte mich weiterhin auf einem tönernen Boden.
»Sie sehen den Geldtransporter hinter mir. Ich möchte gern einen Blick auf die Ladefläche werfen.«
»Gibt es einen Grund?«
»Ja, ich habe einen Verdacht.«
»Schmuggel?«
»Das ist möglich. Konkretes kann ich Ihnen leider nicht sagen. Sollte sich mein Verdacht nicht bestätigen, umso besser. Jeder Mensch weiß hier, dass er verpflichtet ist, der Polizei Rede und Antwort zu stehen.«
Der Kollege mit der blassen Haut erbleichte noch stärker. »Hier geht es doch nicht etwa um Terroristen – oder?«
»Das denke ich nicht.«
Er trat einen Schritt zurück. »Wenn das so ist, dann müsste ich Verstärkung anfordern und…«
»Nein, es ist nicht so.«
Er warf noch einen Blick auf den Ausweis und schien beeindruckt zu sein. Ich besaß einen Sonderausweis, der mir recht viele Türen öffnete, und so sah der Kollege ein, dass er nicht viel machen konnte. Er wollte dem zweiten Polizisten Bescheid geben. Der allerdings war beschäftigt. Er gab bereits die Fahrbahn wieder frei, winkte den Fahrern in den Autos zu, und als einer der ersten Wagen setzte sich auch der Transporter in Bewegung.
Mir blieb der Fluch im Hals stecken. Bevor ich etwas unternehmen konnte, hatte er mich passiert, wurde schneller und dann blieb mir nichts anderes übrig, als dem Wagen nachzuschauen, mit einem Ausdruck im Gesicht, in dem die Enttäuschung und auch der Ärger festgeschrieben standen.
Weitere Fahrzeuge rollten an uns vorbei. Ich dachte an Glenda, die sicherlich ebenso enttäuscht war wie ich, aber wir würden den Wagen finden. Die Aufschrift sagte genug. Da brauchte ich mir nicht mal die Nummer zu merken.
Ich ging wieder dorthin zurück, wo ich mit Glenda gestanden hatte. Die Bemerkung lag mir schon auf der Zunge, als ich mitten in der Gehbewegung stoppte, denn der Platz, an dem Glenda gestanden hatte und eigentlich auf mich warten sollte, war leer.
Klar, sie hatte auf der Straße gewartet, aber da hatte es noch den Stau gegeben, doch jetzt stand sie nicht mehr auf der Fahrbahn und auch nicht auf dem Gehsteig.
Sie war verschwunden. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. In mir stieg ein bestimmter Verdacht hoch, der mich erschauern ließ.
Sollte Glenda…
Jemand sprach mich von der Seite her an. Es war ein älterer Mensch mit einem Strohhut. Ich hatte ihn vorhin zwischen den Neugierigen gesehen.
»Suchen Sie die Frau mit den dunklen Haaren?«
»In der Tat.«
Er fing an zu lachen. »Da können Sie lange suchen, wirklich. Die ist nicht mehr da.«
»Und das wissen sie genau?«
Er grinste irgendwie fett. »Klar, so was wie die ist eine Augenweide.«
»Das kann ich bestätigen. Aber können Sie mir auch sagen, wohin sie gegangen ist?«
»Hä, hä…« Sein Lachen klang dümmlich. »Gegangen, sagen Sie?«
»Ja, bestimmt nicht geflogen.«
»Das hätte auch noch gefehlt«, flüsterte er und schaute sich um.
»Die ist nicht gegangen, die ist nicht geflogen, die ist einfach verschwunden.«
Noch jetzt hatte der Mann so gesprochen, als könnte er das alles nicht begreifen. Aus seiner Sicht hatte er Recht. Sie war ja verschwunden. Glenda hatte sich weggebeamt oder weggeschleust.
Dass der Typ auf mich einsprach, hörte ich zwar, nahm es jedoch nicht richtig auf. Natürlich drängten sich jetzt die Vorwürfe in mir hoch. Ich hätte mich nicht von Glenda entfernen sollen. Ich hätte es wissen müssen. Schon als ich bei ihr stand, war sie dabei gewesen, sich zu verändern.
Und jetzt…
Ich hätte mir selbst irgendwo hineinbeißen können. Aber nicht nur mir machte ich Vorwürfe, auch Glenda. Sie hätte sich noch zusammenreißen müssen, und das hatte sie leider nicht getan.
Möglicherweise war es ihr auch nicht möglich gewesen. Ich ging jetzt davon aus, dass sie sich auf die Ladefläche des Transporters gebeamt hatte.
»Glauben Sie mir denn, Mister?«
»Ich glaube Ihnen alles«, sagte ich mit leiser Stimme. Dann wurde es Zeit, dass ich zu meinem
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