140 - Kastell der namenlosen Schrecken
nur unter Einschränkungen bewegen. Seinen wahren Beruf zu verraten kam nicht in Frage. Seine Arbeit durfte niemand beobachten; wenn es unumgänglich war, mußte er ablenken, maskieren, verwirren. Niemandem war zuzumuten, an Hexen und Werwölfe, an Vampire und Untote zu glauben, heute, im zwanzigsten Jahrhundert. Und er selbst durfte sich nicht zu weit hervorwagen. Die Schwarze Familie und Luguri suchten nach ihm und seiner Organisation, und zwischen ihnen herrschte blutiger Kriegszustand.
Zwischen Schalungen, Zierziegelmauern und frisch aufgehäufter, feuchter Erde stiegen sie zu einer der schießschartenähnlichen Fensteröffnungen hinunter.
„Hier fanden wir die drei Leichen", erklärte Beauvallon leise. „Was halten Sie davon?"
Wie der Dämonenkiller nicht anders erwartet hatte, sah er vor sich einen ausgeräumten Gewölbekeller. Sein Blick glitt über die Wände. Mit Mühe entzifferte er die Ritzzeichnungen und Buchstaben uralter Alphabete.
Säulen, Wände, dahinter vielleicht noch unentdeckte Geheimkammern - Dorians Finger, die mit der Gnostischen Gemme spielten, begannen zu kribbeln.
„Der Geruch ist sehr intensiv", sagte er. „Das hat sie wahrscheinlich betäubt und dann umgebracht." „Vor drei Wochen war der Gestank unerträglich", gab Jean-Jacques zu. „Ich rechne, daß es lange braucht, bis man diesen Raum bewohnen kann."
„Viel Hitze!" schlug, Dorian vor. „Aus einiger Erfahrung weiß ich, daß alle Arbeiten tagsüber ungefährlich sind."
„Aber… die zwei Holländer hatten keinen Zutritt!"
„Sie sind wohl vom Licht angelockt worden", sagte Dorian. Er zeigte auf die Scheinwerfer und die leise summenden Gasbrenner. „Und hier haben sie ihren Mörder getroffen."
Wo die Bauwerkzeuge lagen, wußte er. Die Halbedelstein-Schlange an der Silberkette sagte ihm deutlich, daß er nur an dieser Stelle auf dämonische Vorgänge stoßen konnte. In keinem anderen Raum des Schlößchens war dies der Fall.
„Das kann einst ein Folterkeller gewesen sein", sprach er seine Vermutungen aus. „Oder ein Gefängnis für politische Gefangene. Oder solche, aus denen man Geheimnisse oder Geständnisse herauspreßte. Unglaubliche Grausamkeiten wurden damals verübt. Sie können sich unschwer vorstellen, Jean-Jacques, daß eine Art kollektiver Erinnerung sich in solchen Gemäuern hält." „Wahrscheinlich haben Sie recht", murmelte der Architekt. „Ich sage den Arbeitern, daß sie sich von dem Keller fernhalten sollen."
„Gut. Und keiner soll erschrecken, wenn er mich heute nacht hier sieht."
Der Architekt warf ihm einen halb verzweifelten, halb verständnislosen Blick zu und ging schnell zu den Bauwagen und Kleinbussen hinüber.
Dorian Hunter fühlte, wie seine Empfindungen sich langsam zu ändern begannen. Aus Neugierde war Anteilnahme, aus Interesse Betroffenheit geworden. Er durfte, während er sich auf die Spur der Dämonen heftete, die Menschen nicht noch zusätzlich verunsichern.
Noch gab es wenige Informationen. Vielleicht würde er am nächsten Morgen mehr wissen. Jean-Jacques öffnete die Wagentür.
„Was halten Sie davon? Ihren Wagen abholen, zu mir fahren, Abendessen und ein wenig über alles reden?"
„Gastfreundschaft", sagte Dorian, „die so überzeugend entgegengebracht wird - da sagt niemand nein."
Der Architekt wußte am meisten über den Bau. Die Angst, die das Gewölbe ausstrahlte, sammelte sich im Verhalten der vielen Arbeiter wie in einer Linse. Und dieser Strahl der kalten Furcht traf de Beauvallon und Maitre Ducroq. Beauvallon zeigte, daß er Angst hatte. Er schien sich von dem großen, schwarzhaarigen Mann nichts anderes als ein wenig Hilfe zu versprechen.
Es war bereits dunkel, als die beiden Fahrzeuge auf einem Hof bremsten. Eine Anzahl kleinerer, ländlicher Häuser umgab im offenen Viereck einen Garten aus Palmen, Korkeichen und Oliven. Aus vielen Fenstern schimmerte gelblich das Licht. Das Anwesen war hervorragend gepflegt, und als Dorian sein Gepäck aus dem reparierten Mietwagen hob, bemerkte er lobend:
„Sie haben vermutlich als gelernter Architekt einen alten Bauernhof umgebaut, nicht wahr?"
„Das Haus der Familie meiner Frau. Alles, was erhaltenswert war, werden Sie drinnen deutlicher sehen. Hier wohnen Sie, mein Freund."
Eine uralte Haustür öffnete sich. Reiches Schnitzwerk wurde sichtbar. Die antike Konstruktion war von einem Rahmen aus Plexiglas zusammengehalten. Eine große, schlanke Frau kam auf die Männer zu.
„Cherie", sagte Jean-Jacques und
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