1400 - Die Templerbraut
die Augen nicht geschlossen hatte, sah sie nichts. Tränen rannen über ihre Wangen, aber es war kein Schluchzen zu hören. Sie siechte dahin, und sie hatte das Gefühl, am Tod des Mannes mitschuldig zu sein.
Warum hatte man ihn getötet? Eine Antwort konnte sie nicht geben. Es war zu schrecklich für sie. Warum brachte man einen Menschen um, der nur Gutes wollte?
Sie lachte auf, schüttelte den Kopf, und ihr wurde dann klar, wie hautnah sie dem Tod entwischt war. Diese Männer schnitten tatsächlich die Kehlen ihrer Feinde durch. Sie waren keine Menschen mehr. Äußerlich wohl, aber nicht, was ihr Gewissen anging. Das besaßen sie gar nicht.
Und sie stand als nächste Person auf der Liste. Vorausgesetzt, sie machte weiter.
»Soll ich das?«, flüsterte sie vor sich hin. »Soll ich wirklich weitermachen?«
Sophia stand auf. Das konnte sie wieder, und auch das Zittern in den Knien hatte aufgehört. Sie ging in die kleine Ecke, die sie sich als Küche eingerichtet hatte. Der Kühlschrank stand auf einem Unterteil, in dem sie nicht verderbliche Lebensmittel aufbewahrte.
Das kalte Wasser, das sie trank, tat ihr gut. Es rann als Strom durch die Kehle und schien all den Schrecken wegspülen zu wollen, den sie erlebt hatte.
Der Schock hatte nachgelassen. Das Bild des toten Paul war dabei, zu verschwimmen, aber sie wusste auch, dass es niemals so ganz aus ihrem Gedächtnis enteilen würde.
Es würde immer bleiben, und sie würde bis zu ihrem Lebensende mit Schuldgefühlen herumlaufen. Aber das war nicht zu ändern, und sie wollte ihren Lebensplan auch nicht über den Haufen werfen. Zu sehr hatte sie sich auf etwas Bestimmtes konzentriert. Es gab das Ziel, und sie würde es erreichen. Nur musste sie vorsichtiger zu Werke gehen, denn sie musste davon ausgehen, dass man sie beobachtete.
Sie hatte sich einmal auf gewisse Dinge eingelassen. Sie hatte einen Entschluss gefasst, und den wollte sie nicht über den Haufen werfen. Sie musste weg. Paris war kein Pflaster mehr für sie. Mercier konnte ihr nicht helfen, und Father Ignatius wollte sie auch nicht mehr anrufen. Sie hatte ihn schon zu sehr mit ihren Telefonaten genervt.
Wie ging es weiter?
Keine Polizei. Die Reisetasche packen und so schnell wie möglich die Stadt verlassen. Vielleicht auch heimlich, denn jetzt war noch Zeit. Sie glaubte nicht, dass die Killer noch in der Nähe warteten, aber sie würden wiederkommen, davon ging sie aus.
Bis dahin musste sie Paris hinter sich gelassen haben. Sie war noch nie zuvor in Alet-les-Bains gewesen. Sie wusste nicht mal genau, wo der Ort lag. Aber sie würde ihn finden, und sie würde nicht mit ihren kleinen Clio fahren, sondern sich in den Zug setzen, der sie dann in den Süden brachte.
Der Plan war ihrer Meinung nach perfekt. Jetzt musste es ihr nur gelingen, ihn auch umzusetzen und den verdammten Killern zu entfliehen. Weg nach Alet-les-Bains, zu einem ihr noch fremden Ort hin, der aber in der Zukunft sicherlich sehr wichtig für sie werden würde…
***
Manchmal kommen Dinge zusammen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Zumindest nicht auf den ersten Blick.
Es begann mit einem Wertpaket, das an mich adressiert war und aus Rom stammte.
Glenda brachte es mir ins Büro, und Suko, der mir gegenübersaß, bekam große Augen.
»Ist das für mich?«, fragte er.
»Nein, für John.«
Da Glenda die Stadt Rom kurz erwähnt hatte, wusste ich über den Inhalt Bescheid.
»Geweihte Silberkugeln. Der Nachschub von unserem Freund Ignatius.« Ich stand auf und nahm Glenda das Paket ab. »Endlich. Ich dachte schon, er hätte uns vergessen.«
»Er doch nicht«, sagte Glenda, die sich umschaute und dann fragte: »Was habt ihr eigentlich heute vor?«
Ich deutete auf das Paket. »Kugeln sortieren.«
»Toll. Und dafür werdet ihr bezahlt.«
»Unter anderem.«
»Na, da bin ich mal gespannt, was das noch alles werden wird«, erklärte sie. »Soll ich für heute Mittag einen Tisch bei Luigi reservieren?«
Suko und ich schauten uns an. »Für mich nicht«, erklärte der Inspektor. »Aber wenn ihr wollt…«
»Ihr könnt es euch ja noch überlegen.«
»Machen wir.«
Glenda ließ uns allein, und ich beschäftigte mich mit dem Paket.
Suko schaute mir zu, als ich es öffnete, und fragte: »Wie sieht es denn mit deinem Gefühl aus? Ist das noch immer so mies?«
Ich hob die Schultern. »Was heißt mies? Ich habe nur einen leichten Druck verspürt.«
»Sonst nichts?«
Ich packte weiter aus. Ein Karton kam zum Vorschein.
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