1406 - Der neue Baphomet
Anläufe, um die Macht an sich zu reißen. Geschafft hat er es nicht, und das soll mir nicht passieren. Außerdem muss ich mich um andere Dinge kümmern. Auch mein Leben ist nicht ganz problemfrei. Aber ich betone noch mal, dass ein neuer Baphomet entstanden ist.«
»Wie sieht er aus? Wie heißt er?«
Saladin zog seinen Mund sehr in die Breite. »Ich weiß nicht, ob Sie es mir abnehmen, mein Freund. Aber dieser Baphomet ist eine Frau, wie ich in Erfahrung bringen konnte.«
»Und wie heißt sie?«
»Sagen wir so: Sie wohnt nicht hier, und es ist auch für sie neu. Sie ist Französin. Ihr Name lautet Sophia Blanc…«
***
Sophia wich zurück. Sie tat es instinktiv, als hätte sie Angst davor, von den Knochenfinger berührt zu werden.
Ein derartiges Bild hatte sie in ihrem Leben noch nie gesehen. Es war einfach schlimm, grauenvoll. Das Buch, das eigentlich tot war, barg ein unheimliches Leben in sich, wobei sie nicht mal wusste, ob man diese verdammten knöchernen Klauen überhaupt als lebendig bezeichnen konnte.
Sie spürte den Druck, die Angst, und sie schaute den Knochenfingern zu, die sich bewegten, um nach irgendwelchen Zielen zu fassen.
Im Moment waren keine vorhanden, denn Sophia war weit genug von dem Buch zurückgewichen. Sie hörte sich selbst stöhnend atmen. Tränen standen ihr in den Augen und verschleierten den Blick.
Einen Grund für die makabre Veränderung konnte sie sich nicht vorstellen.
Während sie schaute, fing sie an, das verdammte Buch zu verfluchen, das als Bibel bezeichnet worden war. Für sie ein Sakrileg.
Waren diese grässlichen Klauenhände nur erschienen, um sich zu zeigen – oder hatten sie etwas vor?
Rechnen musste sie mit allem, deshalb brauchte sie sicherheitshalber eine gewisse Distanz zwischen sich und dem Tisch.
Bisher griffen die Klauenfinger nur ziellos in die Luft. An den Gelenken bewegte sich das Leder, und es riss dort nicht weiter auf, sodass das Buch nicht zerstört wurde.
Sophia dachte an den Knochensessel. Das zweite Phänomen in diesem Raum. Sie schaute kurz hin. Das makabre Gebilde aus Knochen stand unter dem Fenster, ohne dass es sich bewegte oder anders veränderte. Der Schädel in der Mitte der oberen Rückenlehne sah aus wie immer. Seine Augen blieben leer. Es gab kein Licht, der Sessel behielt seine magischen Kräfte für sich. Im Gegensatz zum Buch.
Noch immer zuckten die langen Finger vor und zurück. Sie glichen bösen Schlangen, die ihre Beute suchten, aber keine fanden.
Und dann – Sophia konnte es kaum fassen – zogen sich die Klauen wieder zurück. Es sah für sie unheimlich aus, wie sie in den Tiefen des Buches verschwanden und auch nicht mehr zum Vorschein kamen, so als wären sie niemals vorhanden gewesen.
Sophia konnte es nicht fassen. Sie stand auf der Stelle wie bestellt und nicht abgeholt. Das Herz schlug auch jetzt kräftiger als gewöhnlich, und sie spürte in ihrem Innern Hitze und Kälte zugleich aufsteigen.
Als sie einen Schritt auf den Tisch zuging, erlebte sie den leichten Schwindel. An der Kante hielt sich die Frau fest. Auch wenn sie genau hinschaute, die verdammten Klauen waren verschwunden.
Hatte es sie gegeben?
Beinahe hätte Sophia gelacht. Natürlich hatte es sie gegeben. All das, was sie in den letzten Minuten erlebt und durchlitten hatte, war kein Traum und auch keine Einbildung gewesen. Es gab das Buch, und es gab auch die Klauenhände, obwohl sie jetzt abgetaucht waren.
Völlig normal und beinahe schon harmlos lag das Buch auf dem Tisch. Es sah aus wie immer. Keine Veränderung mehr auf dem weichen Ledereinband.
Sophia hatte sich bisher immer als eine starke Frau angesehen. Sie musste einfach stark sein, und so sagte sie sich, dass mit dem Buch etwas passieren musste. Auch wenn es ihr gehörte, sie wollte es nicht in ihrer Nähe wissen. Nicht in ihrem Zimmer und auch nicht in dem ihres Mannes. Am besten war es, wenn das Buch aus dem Wohnbereich verschwand. Es irgendwo hinschaffen. Verbrennen oder vergraben.
Das konnte sie nicht allein entscheiden. Darüber würde sie mit ihrem Mann reden müssen.
Er lag noch immer in seinem Bett. Schlief, hatte nichts von dem bemerkt, was abgelaufen war, und so glaubte Sophia daran, dass dieses Buch zu ihm wohl keine große Affinität besaß.
Sophia überlegte. Je länger sie über gewisse Dinge nachdachte, um so weniger bekam sie die in die Reihe. Sie wusste nicht, was dieses Buch von ihr wollte. Dass es auf eine besondere Art und Weise lebte, daran hatte sie sich zwar
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