1407 - Klauenfluch
Jahreszeiten und hatte sie auch schon mit Schnee erlebt. Das Bild war mir nicht neu.
Die weiße Decke lag überall, dazwischen die kleinen Orte, die es in dieser Umgebung gab. Manchmal war es auch nur eine alte Burgruine, die ihre Reste gegen den Himmel streckte. Vor dem hellen Untergrund und in der klaren Luft hoben sich die Reste sehr deutlich ab.
Die düsteren Wolken am Firmament waren nicht mehr zu sehen.
Das strahlende Blau am Himmel wirkte wie von einem perfekten Maler geschaffen, und wenn Sonnenstrahlen auf die helle Schneefläche fielen, funkelten unzählige Kristalle wie wertvolle Diamanten.
Alet-les-Bains lag in einem kleinen Talkessel. Allerdings verteilten sich die Häuser auch an den Hängen, und da der Ort den Zusatz Bad besaß, gab es auch einige kleine Kliniken, einen Kurpark und die Bäder für bestimmte Anwendungsmöglichkeiten.
Städter hatten Häuser an den Hängen gebaut, sodass einige Siedlungen entstanden waren. Hier konnte man es auch im Sommer aushalten, wenn die Hitze in den Metropolen zu sehr drückte, denn über die buckligen Höhen wehte immer ein leichter Wind.
Eine Felswand fiel auf, die wir von der Straße her sahen. Aus der Entfernung wirkte sie geschlossen. Wir aber wussten, dass es eine Lücke im Fels gab. Dahinter führte ein schmaler Gang tief in das Massiv hinein und endete in der Kathedrale der Angst, die uns früher des Öfteren beschäftigt hatte, denn dort hatte das silberne Skelett des Hector de Valois gelegen, eines Mannes, der ich einmal gewesen war und der auch das Kreuz in seinem Besitz gehabt hatte.
Immer wenn ich die Felswand sah, drangen die Erinnerungen hoch, und nie würde ich die Szene vergessen, als sich das Skelett für mich geopfert hatte und im fernen Äthiopien in die Bundeslade gestiegen war.
Suko hatte mich beobachtet. »Du denkst an damals?«
»Ja, immer wenn ich den Felsen sehe.«
»Kann ich verstehen.« Er deutete nach vorn. »Es ist vorbei, John. Das Kapitel ist abgeschlossen. Wir sind neue Wege gegangen, daran musst du dich gewöhnen.«
»Das habe ich ja auch. Aber kannst du gegen die Erinnerungen ankämpfen?«
»Nur schlecht.«
»Mir geht es auch so. Aber ich glaube trotzdem, dass es noch Geheimnisse zu enträtseln gibt.«
»Die wird es immer geben.«
»Schon, nur denke ich an konkretere, obwohl ich sie nicht kenne. Ich glaube, dass das Leben meines Vaters noch einige Überraschungen bietet… aber das wird sich noch herausstellen.«
»Sicher.«
Ich drückte die Vergangenheit aus meinem Kopf weg und konzentrierte mich auf die Gegenwart.
Der Großteil des Schnees lag hinter uns. Es war hier auch nicht viel neuer hinzugekommen. Die Straße lag zum Teil frei. An manchen Stellen war sie sogar schon trocken. Aber zumeist glänzte sie nass.
Suko und ich sahen Alet-les-Bains vor uns liegen. Wunderschön, fast malerisch im Tal verteilt. Schnee lag auf den Dächern. Aus den Kaminen drang Rauch. Es gab keine Hochhäuser, und wer hier Urlaub machte oder kurte, der machte dies an einem wirklich schönen Fleckchen Erde.
Und doch war Alet-les-Bains ein Ort mit Geschichte wie fast alle hier im Umkreis. Hier hatten sich die Kulturen getroffen, hier hatten vor allen Dingen die Templer ihre Spuren hinterlassen, und zu denen waren wir jetzt unterwegs.
Das neu aufgebaute Kloster lag recht günstig. Um es zu erreichen, mussten wir nicht erst durch den gesamten Ort fahren. Es lag praktisch am Eingang, und jeder, der nach Alet-les-Bains kam, fuhr daran vorbei.
»Alles ruhig, John«, sagte Suko.
Ich nickte. »Noch.«
»He! Rechnest du mit etwas anderem?«
»Ich weiß es nicht, aber grundlos sind wir ja nicht hier – oder?«
»Das hast du allerdings Recht…«
***
Saladin saß auf dem Knochensessel. Er war vorsichtig und blieb zunächst auf dem Rand hocken. Er traute nur sich selbst und keinem anderen. Alles das, was er nicht selbst in Bewegung brachte, machte ihn misstrauisch.
Kein Knochen gab nach. Alles hielt. Der Sessel war fest genug, um sein Gewicht tragen zu können. Er konnte zufrieden sein, hätte er den Sessel nur als Sitzmöbel gesehen.
Genau das war er nicht.
Er war mehr als ein Sessel. Er war ein mit Magie gefüllter Gegenstand, der es schaffte, Menschen aus ihrer Welt zu reißen und sie an einen anderen Ort zu transportieren.
Etwas passierte. Der Sessel zeigte eine erste Reaktion. Saladin merkte die leichten Vibrationen, als wäre innerhalb des Knochengerüsts ein Motor angestellt worden, der den Sessel in Bewegung brachte, damit
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