1408 - Der Totenholer
haben.«
»Tu das.«
Die Zeugen fragte ich nicht, sondern Sergeant Lindsay. Er wunderte sich über meine Frage. »Leichengeruch?«, fragte er.
»Ja.«
»Nein, davon haben die beiden Kollegen nicht gesprochen.«
»Man sollte sie danach fragen.«
»Gut, das mache ich.«
Sie waren zum Glück noch nicht abtransportiert worden, und der Sergeant war schnell wieder bei uns. Bevor er etwas sagte, schüttelte er den Kopf.
»Es tut mir Leid, aber die Männer haben nichts dergleichen gerochen. Hätten Sie das denn sollen? Hätte Sie das weitergebracht?«
»Eventuell«, sägte ich.
»Sorry.«
Ich winkte ab. »Ihre Aufgabe ist erledigt. Sie können die Sperre wieder aufheben und das Wrack abholen lassen.«
»Fahren Sie auch?«
»Jaaa…«, dehnte ich, »später.«
»Gut, wie Sie wollen.« Er fragte nicht weiter nach und ließ uns allein.
Bill nickte vor sich hin, ehe er sagte: »Das ist ein verdammt harter Brocken, John.«
»Du sagst es.«
»Kannst du dir nach der Beschreibung vorstellen, wer der Leichendieb ist und was er mit seiner Beute vorhat?«
»Nein, das kann ich nicht. Ich kann mir gar nichts vorstellen. Aber er ist immerhin so vermessen, seine Taten übers Internet anzukündigen.« Ich dachte kurz nach. »Es kann durchaus sein, dass er sich unbesiegbar fühlt. Er hat ein Selbstwertgefühl, das alles andere übersteigt. Kann sein, dass dies seine Schwachstelle ist. Einen Sinn muss die Seite im Internet ja haben.«
»Davon gehe ich auch aus.«
Ich nagte auf meiner Unterlippe. »Wer sich so verhält, der tut das nicht ohne Grund. Da muss sich etwas in seinem Kopf abspielen. Das möchte ich gern herausfinden. Er setzte die Botschaft ins Internet und wartet, dass man mit ihm Kontakt aufnimmt.«
»Wer denn? Ein Toter?«
»Das sicherlich nicht.«
»Aber er holt sich die Toten, John.« Der Reporter deutete auf das Autowrack. »Kannst du dir vorstellen, dass dessen Fahrer mit dem Leichendieb Kontakt aufgenommen hat?«
»Nur schwer. Aber nichts ist unmöglich. Außerdem frage ich mich, wie er von hier weggekommen ist. Ob er hier irgendwo in der Nähe einen Wagen geparkt hatte? Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass er seine Beute auf Schusters Rappen durch die Nacht schleppt.«
»Kann ich daraus folgern, dass wir durch den Wald streifen sollen?«
»Was hält uns davon ab?«
»Die Dunkelheit.«
»Ich habe eine Lampe. Sie reicht aus.«
Bill war einverstanden, auch wenn er keine große Begeisterung zeigte.
Die Kollegen hatten die Sperre an der Straße aufgehoben, der Verkehr konnte wieder normal fließen, aber um diese Stunde hatte er stark abgenommen. Nur hin und wieder rollte ein Wagen vorbei.
Ansonsten blieb es ruhig…
***
Durch einen noch vom Winter geprägten Wald zu stiefeln, ist kein Vergnügen. Zwar lag kein Schnee mehr, aber der Boden war doch recht feucht und matschig. Für unsere Schuhe war das alles andere als gut.
Wir schlugen uns trotzdem durch, was auf den ersten Metern kein Problem war, später aber eins wurde. Da standen uns mehr Hindernisse im Weg, als uns lieb war.
Bei Tageslicht hätten wir schon vorher sehen können, dass dieses Waldstück nicht besonders groß war. So erlebten wir jetzt eine angenehme Überraschung, als sich die Formation der Bäume recht schnell wieder lichtete und wir einen freien Blick bekamen, wobei uns sofort der schmale Feldweg auffiel, der von uns aus gesehen von der linken Seite her in den Wald eindrang.
»Das ist doch was«, sagte ich nur.
»Du hast Recht.«
Hier bildete der Weg noch eine Schneise. Ein Stück weiter vorn führte er in ein offenes Gelände.
Wieder nahm ich meine Lampe zu Hilfe. Der runde Kegel huschte über den weichen Untergrund hinweg, und ich entdeckte das, was ich zu finden gehofft hatte.
Spuren!
Nicht von Menschen, sondern von Reifen, die mit einem sehr dicken Profil versehen waren.
»Das ist es!«, sagte ich. »Hier hat er geparkt.«
Bill, der neben mir stand, bückte sich. Er untersuchte die Abdrücke, während ich weithin die nahe Umgebung ableuchtete, um nach weiteren Hinweisen zu suchen.
»Das war kein normales Fahrzeug, John. Der Radstand ist viel zu groß. Ich tippe auf einen großen Van.«
»Nicht schlecht. Würde passen.« Ich suchte weiter und wurde auch fündig, denn ich sah an einer bestimmten Stelle dunkle Flecken auf dem Boden. Sie schimmerten leicht, als das Licht sie traf. Ich glaubte jedoch nicht, dass der hier parkende Wagen Öl verloren hatte.
Mit dem linken Zeigefinger tippte ich gegen einen
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