1411 - Vampirehre
Sollte Linus Besuch bekommen, wird dieser sicherlich nicht an der Haustür klingeln.«
»Das glaube ich auch.«
»Okay, dann mache ich mal meinen Rundgang.«
Jane nickte und schloss das Fenster wieder.
Mein Weg führte mich in den Garten hinein. Ich ging über einen weichen Rasen. Das Gras hinterließ auf meinen Schuhen feuchte Streifen.
Einen Platz hatte ich mir bereits ausgesucht. Er befand sich bei den Obstbäumen, die wie starre Wächter auf dem Grundstück standen.
Wegen der Windstille wurden nicht mal ihre Zweige bewegt.
Ich ließ mir Zeit und schlenderte über den weichen Rasen hinweg.
Nahe der Bäume blieb ich stehen. Den Blick hielt ich auf die Rückseite des Hauses gerichtet und auch auf den Wulst des Anbaus. Das Fenster war nur mehr als Umriss zu sehen…
***
Lange brauchte ich nicht zu warten, bis sich etwas veränderte. Nicht an dem Bild, das ich sah, vielmehr hörte ich ein Geräusch über meinem Kopf. Es war ein leises Rauschen, und ich spitzte die Ohren.
Unbekannt war es mir nicht.
Ich legte den Kopf zurück und entdeckte den Schatten bereits beim ersten Hinschauen. Es war kein fliegender Teppich, obwohl man es bei diesen Bewegungen hätte annehmen können. Es war auch kein Vogel, denn Geier oder Adler flogen hier nicht.
Über mir zog eine riesige Fledermaus ihre Bahn.
Dracula II war da!
»He, Mallmann! Ich habe dich gesehen!«
Der Schatten blieb noch für einen Moment in der Luft und segelte dann weg.
Ich glaubte nicht daran, dass ich mich geirrt hatte, und wartete darauf, dass etwas passierte. Viel Geduld musste ich nicht aufwenden. Schräg hinter mir hörte ich die Stimme des Supervampirs.
»Du kannst es nicht lassen, John – wie?«
»Stimmt genau.«
»Aber diesmal geht es dich nichts an. Das ist eine Sache zwischen Justine und meinen Blutbräuten.«
»Darf ich fragen, warum du dann mit von der Partie bist, wenn es nur um die vier geht?«
»Ich gehöre dazu.«
»So denke ich auch. Du kennst mich, Will, und du weißt verdammt genau, dass ich es nicht hinnehmen kann, wenn Menschen zu Geschöpfen der Nacht werden. Was immer deine drei Bräute auch vorhaben, ich werde mitmischen.«
»Sie wollen die Cavallo!«
»Ist es nicht eher umgekehrt? Hat Justine nicht noch eine Rechnung mit ihnen offen?«
»Das sollen sie unter sich ausmachen.«
»Klar, unter sich«, spottete ich. »Das habe ich im Haus des Constablers erlebt. Es wären zwei Blutsauger mehr geworden, hätten Jane und ich nicht eingegriffen.«
»Es musste sein. Sie wollten sich stärken.«
»Du hättest dann zwei Bewohner für deine verdammte Vampirwelt mehr gehabt, wie?«
Ich hörte ihn lachen. »Ja, kein schlechter Gedanke. Ich bin noch immer dabei, sie aufzubauen. Und sie wird anders werden, als sie war, das schwöre ich dir. Sie wird demnächst eine echte Heimat für diejenigen, die mir nahe stehen. Das wirst auch du nicht verhindern können, John.«
»Ist nicht mein Bier. Nur sage ich dir eins. Wann immer es geht, werde ich versuchen, die Einwohnerzahl deiner Welt zu reduzieren, und mit deinen drei Blutbräuten mache ich den Anfang.«
»Versuche es, John. Ich freue mich schon darauf. Noch einmal lassen sie sich nicht übertölpeln.«
»Egal!«, rief ich in die Dunkelheit hinein. »Was ist mit Justine Cavallo? Sie hat dich mal vom Scheiterhaufen geholt. Zählst du sie jetzt auch zu deinen Feinden?«
»Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich. Sie und Assunga haben mir in meiner eigenen Welt eine Falle gestellt, und du hättest mir fast den Kopf abgeschlagen, wenn Saladin mich nicht gerettet hätte. Also sind Justine und ich quitt….«
Er sprach nicht mehr weiter und huschte zurück, um mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Aber für mich stand fest, dass er in der Nähe bleiben und alles beobachten würde.
Ins Haus gehen wollte ich nicht. Es war wichtig, dass ich es umrundete. Vielleicht hatte Mallmann mich auch nur ablenken wollen, damit seine Blutbräute freie Bahn hatten. Bei ihm musste man mit jedem Trick rechnen.
Weit kam ich nicht, denn etwas geschah, was ich bisher noch nicht erlebt hatte.
Es drang ein recht lautes Geräusch an meine Ohren. Zuerst war ich überfragt, dann aber ging mir ein Licht auf. Ich fand heraus, was das Knattern zu bedeuten hatte.
Jemand fuhr langsam mit einem Motorrad durch Tegryn…
***
Justine Cavallo liebt die Überraschungen. Unkonventionelles Agieren, etwas tun, womit keiner rechnete, das lag ihr, und damit sorgte sie bei anderen Personen stets für Erstaunen.
Auch
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