1412 - Die Hellseherin
Person getroffen haben?«
»Ach, Sie wollen auch zu ihr?«
»Ja, sicher. Ohne Sie hätte ich Ihren Sohn nicht gefunden.«
»Ach!« Vor Überraschung hob der Adelige beide Hände. »Ist das wirklich wahr?«
»Warum sollte ich lügen?«
»Aber wie sind Sie an die Hellseherin gekommen? Und warum müssen Sie sich bei mir noch über sie erkundigen?«
»Anna Lebrun rief mich an.«
»Das ist mir ganz neu. Warum denn gerade Sie?« Er lachte leise.
»Das ist…«
»Wir wollen es herausfinden«, sagte Harry. »Und deshalb möchten wir mit ihr sprechen.«
»Dafür habe ich Verständnis. Da müssten Sie nur in den Taunus fahren. Sie lebt recht einsam. Der Ort heißt Holzhausen. Da gibt es wirklich nur zwei, drei Straßen.«
»Sehr gut. Und auch einen Waldfriedhof, denke ich mal.«
»Ja, auch das stimmt. Sie kennen sich aus. Aber ich habe dem Friedhof keinen Besuch abgestattet. Mir ist nur das Hinweisschild aufgefallen. Zu einem Friedhof wollte ich ja nicht.«
»Aber er ist da!«
»Natürlich.«
Harry lächelte. »Gut, das war’s eigentlich, was wir von Ihnen wissen wollten. Der Rest wird sich von allein erledigen. Jedenfalls wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie alles Gute für die Zukunft.«
»Danke, Herr Stahl.«
Dagmar und Harry verabschiedeten sich von dem Adeligen. Erst als sie die Cafeteria verlassen hatten, ergriff Dagmar wieder das Wort. »Was hältst du von ihm?«
»Er ist heilfroh, dass er seinen Sohn wieder zurück hat. Da ist alles andere Nebensache.«
»Und die Lebrun hat ihm dabei geholfen.«
Harry nickte. »Richtig.«
»Warum hat sie das getan?«
»Ha, weil es ihr Job ist und sie dafür auch bezahlt wird. So sehe ich die Dinge.«
Dagmar schwieg.
Vor der Klinik sprach Harry sie wieder an. »Siehst du sie nicht so? Dann sag es.«
»Ich habe tatsächlich meine Probleme damit. Vergiss nicht, dass sie offiziell tot ist.«
»Das weiß ich. Und deshalb finde ich auch, dass wir uns mal den Friedhof anschauen sollten und natürlich auch die Umgebung.«
»Klar, dann mal los.«
»Worauf du dich verlassen kannst…«
***
Die Reise unternahm ich zusammen mit Glenda, aber ich bekam davon so gut wie nichts mit. Ich war einfach ausgeschaltet, als würde es mich gar nicht geben.
Es gab auch kein Gefühl für Zeit mehr bei mir. Ob sie vorwärts lief oder rückwärts tickte, konnte ich nicht sagen. Das alles war verschwunden, es gab nur noch das Nichts, und genau das war für mich nicht zu erklären.
Aber meine Rückkehr in die Normalität bekam ich schon mit. Ich spürte zuerst einen warmen Atem, den mir jemand ins Gesicht blies.
Zugleich umgab mich der Geruch, den ich von meiner Wohnung aus mitgenommen hatte.
Der Geruch, dieser Duft erinnerte mich an Glendas Parfüm.
»Es ist alles wieder okay, John.«
Es war Glendas Stimme, die ich hörte. Nun wusste ich endgültig, dass ich mich nicht getäuscht hatte, und so öffnete ich einigermaßen erleichtert die Augen.
Noch sah ich Glendas Gesicht ein wenig verschwommen. Es erschien wie aus einem Nebel, der sich nur allmählich verflüchtigte, und da sah ich auch ihr Lächeln.
Ich sah mich zunächst mal um.
Wo waren wir gelandet?
Die Frage hätte ich gern Glenda Perkins gestellt, doch ein Blick in ihr Gesicht bewies mir, dass sie ebenso überfragt war wie ich, denn das, was sich um uns herum befand, das hätte auch überall in mitteleuropäischen Breiten sein können. Wir hielten uns am Rand eines Waldes auf, und wenn ich etwas nach oben gegen die Himmel schaute, stellte ich fest, dass der Abend noch nicht erreicht war und die Sonne noch recht hoch stand. Es war also Nachmittag, doch wir waren am späten Abend in meinem Apartment gewesen, also hatten wir eine Reise rückwärts gemacht, zumindest um einige Stunden.
Das war neu für mich.
Ich deutete gegen den Himmel. »Fällt dir was auf, Glenda?«
»Ja. Wahrscheinlich das Gleiche wir dir. Wir haben hier wohl eine andere Zeit.«
Ich schaute auf meine Uhr. Die Zeigen standen auf zwanzig Uhr dreißig, aber das traf hier nicht zu. Es sei denn, wir befanden uns auf einem anderen Kontinent.
»Wo sind wir?«
Glenda schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, John. Ich habe diese Reise diesmal nicht lenken können. Sie wurde gelenkt, und ich nehme an, dass es Saladin war, der uns hierher brachte. Aber schau dich um. Siehst du ihn?«
»Noch nicht.«
Sie lachte. »Egal, wie die Sache ausgeht. Wir bleiben zusammen, und wir haben schon ganz andere Abenteuer gemeinsam bestanden. Kopf hoch,
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