142 - Bei Nebel kommt der Schizo-Killer
blütenweißen Servierschürze eilte suchend
näher.
X-GIRL-F beobachtete Francines Miene.
Alle Empfindungen eines Kindes, das' sich
entdeckt sah, spiegelten sich darin.
Einen Moment schien es so, als wollte
Francine Seautant sich zur Flucht wenden. Sie blickte sich suchend und verwirrt
nach allen Seiten um. Schon spannten sich ihre Muskeln.
»Ach, es hat doch keinen Sinn !« sagte sie dann enttäuscht und winkte ab, eine Geste, die
sie irgendwo abgeguckt und übernommen hatte.
»Francine?!« Die Stimme der jungen Frau, die
zwischen den Bäumen herankam, tönte wieder auf. »Ich weiß, daß du da bist. Gib
Antwort, komm in’s Haus zurück - ich verspreche dir, auch nichts deinen Eltern
zu sagen ...«
»Das kann ich mir denken«, murmelte Francine.
Um ihre Lippen zuckte ein triumphierendes Lächeln. »Dann kriegst du nämlich
Ärger, Josephine.
Weil du nicht auf mich aufgepaßt hast .«
Claudine Solette wurde klar, daß das Haus-
und Kindermädchen mit dem altmodischen Namen den Auftrag hatte, auf den kleinen
Wildfang aufzupassen. Francine hatte eine Gelegenheit ergriffen, aus dem Haus
zu wischen, und das Kindermädchen war verzweifelt. Es verlegte sich aufs
Flehen, rief immer wieder den Namen von Francine und versprach ihr das Blaue
vom Himmel herunter.
» ... ich werde mit dir eine tolle
Spazierfahrt mit der Kutsche machen. Francine! Nur tu mir den Gefallen und komm
endlich aus diesem schrecklichen Wald heraus .«
»Der Wald ist nicht schrecklich ... Ihr
bildet euch das alle nur ein. Ich werde den Mann in der Kutte finden und euch
beweisen, daß es ein verzauberter Prinz ist .«
Claudine Solette bekam die halblaut
gesprochenen Worte mit. Ihr war, als würde ihr jemand einen Kübel mit kaltem
Wasser über den Rücken gießen.
Francine Seautant wußte etwas von dem
unheimlichen Fremden! Die Spur ins Haus der reichen und einsam lebenden Familie
schien also richtig zu sein ...
»Hier bin ich, Josephine! Was schreist du
denn so? Es ist doch alles in Ordnung !« Francine
Seautant rief dies mit ihrer hellen Kinderstimme in den Wald.
Das Hausmädchen verhielt im Schritt, änderte
dann seine Richtung und kam rasch heran.
»Francine !« keuchte
Josephine und war ganz aufgelöst. »Wie konntest du mir das nur antun? Gott sei
Dank, daß dir nichts zugestoßen ist .«
»Was sollte mir in diesem schönen Wald
zustoßen, Josephine ?«
»Du weißt, daß deine Eltern dir streng
verboten haben, das umzäunte Anwesen allein zu verlassen. Du darfst nicht
hierher kommen ...« Alle Worte sprach Josephine schon, noch ehe sie ganz heran
war.
Und als sie es war, zuckte sie zusammen.
Sie nahm Claudine Solette wahr
.. .
»Wer sind Sie? « entfuhr es ihr, und sie
schlang schnell ihre Arme um die Schultern ihres Schützlings.
Die PSA-Agentin schüttelte den Kopf. »Mich
brauchen Sie und Francine nicht zu fürchten. Ich bin zufällig hier
vorbeigekommen. Der starke Nebel hat mich zum Halten veranlaßt. Und dann habe
ich eine Bewegung zwischen den Bäumen wahrgenommen ...«
»Was haben Sie gesehen ?« fragte Josephine schnell. Sie war etwa dreißig Jahre alt und trug das schwarze
Haar kurz und im Ponyschnitt.
»Francine«, erwiderte Claudine. Sie erwähnte
mit keinem Wort das, was sie wirklich gesehen hatte. Die unheimliche Gestalt
mit der Sense schien für die Seautants eine Bedeutung zu haben, daß sie ihrer
Tochter verboten, allein in den Wald zu gehen. Das Mädchen aber schien von ihm
wie magisch angezogen zu werden. Sie hatte versucht, den »Fremden« zu treffen!
Claudine erwähnte, daß sie aus Paris käme und
ein paar Tage auf dem Gut der Seautants entspannen wollte. Als sie das sagte,
merkte sie, wie die Anspannung förmlich von dem Hausmädchen abfiel.
Die PSA-Agentin machte noch den Vorschlag,
daß beide mitfahren könnten. »Mein Wagen steht vorn an der Straße ... Die Luft
ist klarer geworden, und ich kann jetzt ohne Probleme weiterfahren .«
»Wir erwarten Sie dann im Haus,
Mademoiselle«, krähte Francine. »Ich werde Ihnen einen Begrüßungscocktail
mixen. Ich bin viel früher im Haus als Sie. Von hier aus sind es nur ein paar
hundert Schritte, quer durch den Wald. Sie aber müssen ihn ganz umfahren .«
Claudine Solette sah den beiden Gestalten
nach, wie sie zwischen den Stämmen verschwanden.
Dann kehrte sie selbst zu ihrem am
Straßenrand stehenden Fahrzeug zurück.
Die Episode ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie
war mysteriös und rätselhaft. Und während des Rückwegs rechnete Claudine damit,
der
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