1442 - Das Relikt
Es war Godwin de Salier.
»Kann ich den Herrn zu Ihnen hochschicken?«
»Und ob Sie das können«, erwiderte Suko, der abgehoben hatte.
»Wir haben schon auf ihn gewartet.« Er legte den Hörer auf und schaute mir ins Gesicht.
»Ab jetzt geht es noch schneller, John.«
»Das kann man nur hoffen…«
***
Godwin de Salier betrat unser Büro und sah dabei aus wie der große Held in einem Kinofilm. Er trug einen dunkelgrauen, weit geschnittenen Mantel, einen gelben Schal lässig um den Hals geschlungen, und sein dunkelblondes Haar hatte er so lang wachsen lassen und nach hinten gekämmt, dass es die Ohren verdeckte.
»So sieht ein Star aus«, sagte ich und erhob mich von meinem Platz, um den Freund zu begrüßen.
Wir lagen uns in den Armen. Godwin war lange nicht mehr hier in London gewesen. Er freute sich auf die Stadt, auf uns und auf den Kaffee, den Glenda brachte.
Sie strahlte ihn an. »Gut siehst du aus.«
»Danke.«
»Macht das die Ehe?«
»Kann sein.«
»Du solltest auch heiraten, John«, sagte Glenda spitz. »Dann siehst du vielleicht auch so gut aus wie Godwin.«
»Ich werde es mir merken. Gibt es sonst etwas Neues für uns?«
Glenda presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Leider nicht. Aber ich bleibe am Ball, obwohl ich bisher wenig über die Gabins im Internet gefunden habe.«
Ich nickte ihr dankend zu.
Godwin hatte seinen Mantel ausgezogen. Jetzt sahen wir ihn in einem hellbraunen Cordanzug. Unter dem Jackett trug er ein schwarzes Hemd.
Er trank einige Schlucke von Glendas Kaffee und lächelte, weil ihm das Getränk so gut mundete.
»Das tut gut, wenn man seit der Nacht unterwegs ist. Aber alle Verbindungen haben geklappt.«
»Dann können wir ja anfangen«, sagte Suko.
»Womit?«
»Es geht noch immer um das Kreuz.«
Das Lächeln verschwand von den Lippen unseres Gastes.
»Ja, das Kreuz«, sagte er mit leiser Stimme. »Es ist schon etwas Besonderes, das muss ich zugeben. Aber vielleicht ist das auch der falsche Ausdruck. Es ist Teufelswerk. Mein Gott, ich habe es ja in der Vergangenheit erlebt. Ich habe es gesehen, es ging mir auch nie aus dem Kopf, aber ich bin damals noch zu jung gewesen, um seine Spur zu verfolgen. Ich habe mich in den Dienst der Kreuzfahrer gestellt. Ich war davon überzeugt, dass wir Gutes tun. Aber ich habe auch das Kreuz nicht vergessen. Nur wusste ich nicht, wo ich die Suche aufnehmen sollte. Ich hatte auch gehofft, dass es nie wieder auftauchen würde, und nun ist es geschehen. Du hast es gesehen, John, nicht wahr?«
»Ja.«
»Das ist gut. Und wo ist es jetzt? An einem sicheren Ort?«
»Das weiß ich nicht.«
Die Lockerheit bei Godwin verschwand. Er saß plötzlich sehr steif auf seinem Stuhl.
»Bitte, es ist nicht unsere Schuld. Ich war mit Bill Conolly und Marcus Körner dort, und dann passierte etwas, womit wir niemals haben rechnen können. Es kam zu einem Überfall.«
Der Templer sagte zunächst nichts. Er strich seine Haare zurück, und sein Blick war sehr ernst. Das blieb auch so, als ich ihn darüber aufklärte, was passiert war und wie man uns außer Gefecht gesetzt hatte.
Godwin sank nicht in sich zusammen, er schob nur seinen Kopf nach vorn. Wir hörten ihn leise sprechen.
»Es ist so lange gut gegangen, zumindest hat man nichts über das verdammte Kreuz gehört. Und jetzt ist es wieder da.«
»Dann müssen wir also damit rechnen, dass es sein neuer Besitzer auch einsetzen wird.«
»Natürlich: Aber wir wissen nicht, wer er ist.« Er schaute uns an.
»Oder habt ihr schon etwas herausgefunden?«
»Leider nicht. Es gibt nur einen Hinweis auf eine Familie Gabin.«
Ich erklärte ihm, was wir herausgefunden hatten.
Godwin nickte. »In der kurzen Zeit ist es uns nicht gelungen, viel über die Gabins in Erfahrung zu bringen. Wir wissen nur, dass sich die Gabins hier auf eure Insel zurückgezogen haben. Egal, wir haben eine Spur…«
»Die leider erloschen ist«, sagte ich. »Laurent Gabin ist gestorben.«
»Aber jemand hat von dem Kreuz gewusst, sonst hätte er nicht diese Bande geschickt.«
»Klar.«
Godwin schaute nachdenklich auf die Fensterscheibe. »Wer könnte Interesse an dieser Waffe haben? Habt ihr euch schon Gedanken darüber gemacht?«
»Eingeweihte«, sagte Suko. »Menschen, die sich auskennen und die genau wissen, welche Bedeutung sie diesem Kreuz beimessen können. Da ist der Kreis relativ klein, wenn ich mir das so durchrechne. Aber Bescheid wissen wir auch nicht.«
»Stimmt.« Godwin nickte. »Diese
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