1443 - Die Hölle stirbt nie
hatten sich auch für mich die Formen der Wände verändert, aber ich sah keine Gestalten. Keine Dämonen. Ich sah kein Feuer zucken.
Lynn wollte aus dem Bett steigen. Sie schlug die Decke zurück, als Suko eingriff. Er zog sie wieder zurück, und sie landete erneut auf dem Rücken, womit sie nicht einverstanden war, denn sie riss die Beine hoch und strampelte wie ein kleines Kind.
»Ich will es nicht, verdammt! Nein, ich will…«
Es hatte keinen Sinn. Wir mussten zu härteren Maßnahmen greifen. Der Teufel war dabei, sie für sich einzunehmen. Und er wollte an ihr in unserem Beisein ein Exempel statuieren. Das Kreuz hatte ihn wohl übermütig werden lassen.
Lynn gab keine Ruhe mehr. Sie warf sich auf ihrem Bett heftig herum, landete mal auf der linken, dann auf der rechten Seite und war wie von Sinnen. Man schien ihr alles Menschliche entrissen zu haben. Sie streckte die Arme immer wieder zuckend vor, und ebenso zuckend bewegten sich die Hände, als wollten sie nach etwas greifen, das nur für sie sichtbar war.
Sah sie den Teufel?
Ich ging fast davon aus. Irgendwann würde er sein Versteck verlassen und sich auch uns zeigen, aber er hatte es zunächst nur auf Lynn abgesehen. Er wollte sie quälen und uns dabei demonstrieren, wie mächtig er war.
Ein Schrei sollte folgen. Ich sah es, denn Lynn Haskin riss ihren Mund weit auf.
In diesem Augenblick handelte ich. Es war wahrscheinlich der allerletzte Moment, und als sie die Hände zusammenschlagen wollte, da schaffte ich es, ihr das Kreuz zwischen die Handflächen zu drücken.
Jetzt kam es darauf an.
Zuerst saß sie starr. So wie jemand, der nicht begreifen konnte, was mit ihr passiert war. Die Starre blieb nicht lange. Sie umfasste das Kreuz auch weiterhin, und plötzlich erlitt sie einen wahren Schüttelfrost.
Das Bett fing an zu wackeln. Aus ihren weit geöffneten Mund wehten die kieksenden Schreie, und dann passierte etwas, das schrecklich war. Es begann mit einem Zischen. Einen Moment später quoll Rauch zwischen den Handflächen auf, die sie gegen das Kreuz gepresst hielt.
»Nimm es weg!«, rief Suko.
Ich wollte es tun, aber es war zu spät, denn hinter ihren Augen lauerte etwas, das nur darauf wartete, freie Bahn zu bekommen.
Eine schwarz-grüne Flüssigkeit schoss aus beiden Augen hervor.
Es spülte die Sehorgane weg und nahm sie mit sich. Das Zeug klatschte auf die Decke, und ich hörte ein raues Lachen aus dem Maul der Frau. Das war wirklich kein Mund mehr, das war ein Maul, aus dem ein weiterer Schwall hervorbrach und sich auf der Bettdecke verteilte.
Ich nahm das Kreuz an mich.
Es war heiß, sodass ich es fallen lassen musste, aber ich wusste auch, dass es sich schnell wieder abkühlen würde.
Lynn sank zurück.
Suko und ich hörten das Lachen. Die Unperson sahen wir nicht, die es ausgestoßen hatte. Aber wir wussten, dass Asmodis in einem für uns nicht sichtbarem Hintergrund lauerte.
Ich war lange nicht mehr mit ihm zusammengestoßen. Als ich mein Kreuz anhob, schrie ich seinen Namen.
»Zeig dich, Asmodis!«
Die Antwort bestand aus einem bösen, widerlichen Lachen, und plötzlich erlebten wir auch den Gestank, von dem Lynn Haskin gesprochen hatte. Es stank verbrannt und auch ätzend, als wäre Organisches und Anorganisches dem Feuer übergeben worden.
Ich hatte mich einige Schritte vom Bett entfernt. Das Zimmer war wieder normal geworden. Möglicherweise hatte ich mich auch täuschen lassen, aber der Teufel hatte sich zurückgezogen.
Wer war er?
Das wusste niemand, auch ich nicht, obwohl ich ihn schon gesehen hatte. Er verstand es prächtig, in verschiedenen Verkleidungen aufzutreten. Die Menschen hatten sich vor langer Zeit ein Bild von ihm gemacht, weil sie etwas haben wollten, vor dem sie sich fürchten konnten.
Ob er nun als Schlange oder als Drache auftrat, das blieb der Fantasie der Menschen überlassen, aber der Teufel selbst hatte sich nach diesen Vorgaben gerichtet und nahm dann genau die Gestalt an, in der die Menschen ihn sehen wollten.
Ich sah ihn nicht mehr. Dafür hörte ich Sukos Stimme, die nicht eben fröhlich klang.
»Dreh dich bitte um, John.«
Das tat ich, und ich hatte dabei ein verdammt ungutes Gefühl. Ich dachte an Lynn Haskin, und das war auch gut so, denn so blieb die Überraschung in Grenzen.
Sie lag auf dem Bett. Ihre Haltung hatte sich kaum verändert, und trotzdem war sie zu einer anderen Person geworden.
Es gab keine Augen mehr. Sie waren durch die dunkle Masse weggespült worden, die sich nun
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