1456 - Catwalk in die Hölle
Angstattacken.«
»Interessant. Das habe ich bei Marsha gar nicht festgestellt. Vor wem hatte sie denn Angst?«
»Genau kann ich das nicht sagen. Ich habe immer an eine allgemeine Angst gedacht, aber ob ich damit richtig lag, weiß ich nicht. Es könnte die Angst vor einem speziellen Teil ihres Lebens gewesen sein.«
»Oh, und das wäre?«
»Ich denke da an Sie, Lucius.«
Der Chef der Modelschule sagte in den folgenden Sekunden nichts. Dann lächelte er und fragte: »War ich zu hart, Glenda? Hat sie das gesagt? Fühlte sie sich ungerecht behandelt? Habe ich andere Schülerinnen vorgezogen? Sie können es mir ruhig sagen…«
»Klar. Deshalb bin ich ja hier. Ich weiß nicht, ob die Ausbildung zu hart gewesen ist. Das glaube ich nicht mal. Da gibt es noch andere Dinge, die Ihren Einfluss auf sie wirksam gemacht haben.«
»Welche?«
»Bei unserem letzten Treffen sprach sie davon, dass sie einem bestimmten Ziel näher gekommen wäre, was sie allerdings alles andere als spaßig fand. Das mal vorweggenommen.«
»Welches Ziel war das?«
Obwohl Glenda die Antwort wusste, senkte sie den Kopf und traute sich nicht, sie direkt auszusprechen.
»Manche würden darüber lachen, Lucius. Ich habe es nicht getan, weil ich immer ihren gesamten Zustand sah.«
»Heraus damit. Kommen Sie!«
»Es ging um etwas sehr Abstraktes und gleichzeitig Konkretes.«
Sie lächelte, als sie in das Gesicht des Mannes schaute, das einen ungläubigen Ausdruck zeigte.
»Bitte, Glenda, bitte…«
Sie senkte die Stimme noch mehr. »Können Sie mit den Begriffen Hölle, Feuer und Teufel etwas anfangen?«
Lucius schwieg, was Glenda nicht sonderlich überraschte. Sein scharf geschnittener Mund zeigte ein Lächeln. Strichdünn und nicht freundlich.
»Was sagen Sie dazu?«
Lucius hob die Schultern. »Das ist natürlich ungewöhnlich. Ich gebe es gern zu. Nur würde ich es nicht überbewerten. Diese Begriffe sind heute an der Tagesordnung. Oft genug wird man mit ihnen konfrontiert. Nein, Glenda, da müssen Sie nicht bei mir suchen. Ich denke, Ihre Freundin sollte zu einem Psychiater gehen und mal mit ihm reden, wenn sie wieder auftaucht. Den Rat kann ich Ihnen geben, und den sollten Sie an Marsha weiterreichen.«
»Werde ich gern machen. Trotzdem brauche ich Ihre Hilfe. Marsha sprach nicht grundlos von gewissen Vorgängen, und wenn sie den Teufel erwähnte oder die Hölle, dann hatte sie stets das Gefühl, auch mit Ihnen konfrontiert zu werden.«
»Nein.«
»Doch, mit Ihnen!«
»Das hieße, dass ich so etwas wie ein Teufel wäre?«
»Es kann sein. Ich habe mich nicht in sie hineindenken können. Ich glaube, dass sie hier schlechte Erlebnisse gehabt hat, und sie fürchtete sich im Besonderen vor dem Feuer.«
»Dem Höllenfeuer etwa?«
»Sie sagen es.«
Lucius blieb weiterhin ruhig. Er fixierte Glenda, und sie schauderte leicht unter dem Blick dieser Augen. Darin war kein Gefühl zu lesen. Die Pupillen glichen geschliffenen Kristallen. Auch weiterhin bildete der Mund einen Strich. Die Blicke schienen Glenda abschätzen zu wollen. Frye sah zudem aus wie jemand, der nach einer richtigen Antwort suchte, sie aber nicht fand oder schon wusste, sie jedoch nicht aussprach.
Er ahnt es!, dachte Glenda. Oder er weiß es bereits. Ich stecke in der Falle, obwohl es nicht so aussieht und er sich sehr jovial gibt.
Etwas piepte in der Tasche des Chefs. »Pardon, Glenda«, sagte er und holte ein flaches Handy hervor.
»Was gibt es, Elvira?«
Lucius hörte kurz zu. Glenda erfuhr nicht, was Elvira sagte, sie erlebte nur die Reaktion des Mannes.
»Ja, ja, wenn es nicht anders geht, ist das schon okay. Ich komme zu Ihnen.« Er schaltete das Handy ab und schüttelte den Kopf. »Immer wieder diese Störungen. Ich muss mich entschuldigen.« Mit einem Ruck stand er auf. »Es wird nicht lange dauern, Glenda. Ich gehe nur kurz ins Büro, weil ich dort etwas regeln muss.«
»Dann kann ich ja auch gehen.«
»Nein, nein.« Lucius bewegte sich kopfschüttelnd auf die Tür zu und hielt beide Hände ausgestreckt. »Sie müssen bleiben. Es dauert nicht lange. Wir können danach weiter über Marsha sprechen. Ich denke, dass ich Ihnen sogar eine Lösung präsentieren kann.«
»Meinen Sie?«
»Bestimmt.«
Zwei Sekunden später hatte er den großen Raum verlassen, und Glenda kam sein plötzliches Verschwinden fast wie eine Flucht vor.
Sie blieb auf ihrem Stuhl hocken und wirkte dabei wie eingefroren.
Ihr Blick glitt ins Leere. Sie schüttelte den Kopf. Wenn sie
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