1456 - Catwalk in die Hölle
verändert hatten. Der Schein kam ihr weicher vor. Es war nicht nur gelb oder rot. Es schimmerten noch zahlreiche Farbtöne darin.
Genau das schlug sich auf die Atmosphäre nieder, die auf Glenda allmählich bedrohlich wirkte.
Glenda zitterte nicht, aber sie war angespannt und schaute der als Domina ausstaffierten Person entgegen, die sich überhaupt nicht um den Laufsteg kümmerte und nur Glenda Perkins im Blick behielt.
Die Mütze saß etwas schief auf dem Kopf. Unter ihr quollen die hellblonden Locken hervor. Ihr Gesicht sah so bleich aus, als wäre es aus Wachs modelliert. Im harten Gegensatz dazu standen die knallrot geschminkten Lippen und der harte Ausdruck in den Augen, deren Blick so gar nicht zu dem jungen Gesicht passen wollte, denn Glenda schätzte die Person auf höchstens 20 Jahre.
Kein Stäubchen bedeckte den glänzenden Lack der hohen Stiefel.
Die dunklen Strapse schienen auf der hellen Haut der Oberschenkel zu kleben, und die Brüste waren durch das Bustier in die Höhe gedrückt worden. Selbst die kurze Lederjacke schaffte es nicht, sie angezogen aussehen zu lassen. Sie war eine blutjunge femme fatale, eine ältere Lolita, die sich nur für Glenda interessierte.
Die hatte sich wieder gefangen. Sie dachte nicht im Traum daran, dem Blick auszuweichen, und so schauten sich beide lauernd an, als wollten sie versuchen, die Gedanken der anderen zu lesen.
Etwa eine halbe Armlänge vor Glenda entfernt blieb die junge Domina stehen. Sie hob den rechten Arm und tippte für einen winzigen Augenblick mit der Spitze des Zeigefingers gegen den Mützenschirm.
»Hi…«
Glenda nickte nur.
»Wer bist du? Die Neue?«
»Vielleicht.«
»Ich bin Marlene.«
Glenda nickte wieder. »Wie schön für dich.«
Nach dieser Antwort konnte sich Marlene nicht mehr zurückhalten und musste lachen. Ihr Lachen klang ähnlich wie die Stimme. Etwas rau, zugleich heiser und erwachsener, als sie aussah.
Glenda hatte den Eindruck, dass eine Puppe vor ihr stand, der man etwas Menschliches eingehaucht hatte, wobei allerdings vergessen worden war, ihr eine Seele zu geben.
Oder etwas war in ihrem Innern, das den Namen Seele nicht verdiente und ihr von einer anderen Seite mitgegeben worden war, die mit diesem Lucius zu tun hatte.
Lucius – Mensch oder Teufel?
Glenda wusste es nicht. Er konnte ein Diener des Bösen sein und hatte dann als Abkömmling der Hölle seine Kräfte weiter gegeben und sie womöglich auf die Models übertragen.
»Willst du mir deinen Namen nicht sagen? Traust du mir nicht?«
»Ich heiße Glenda.«
»Danke. Eine Glenda haben wir noch nicht in unserem Kreis begrüßen können. Du gehörst doch bald zu uns, oder?«
»Ich weiß es noch nicht.«
Marlene zeigte sich überrascht. »Hat Lucius dich nicht auf deine Rolle vorbereitet?«
»Ich wüsste nicht wie.«
Marlene musterte Glenda vom Kopf bis zu den Füßen. »Ich sehe, dass dir etwas fehlt, was uns zu Eigen ist. Es ist die Jugend. Du bist älter als wir, aber du bist sehr schön und eine perfekte Frau. Ich denke, dass du gut zu uns passen würdest.«
»Wie meist du das?«
»Ich denke an unseren Kreis der Auserwählten. An die Freundinnen des großen Lucius. An Catwalk-Schönheiten der besonderen Art, denn wir sind etwas Besonderes.«
Glenda blieb gelassen. »Wegen der Kleidung?«
»Nein, nicht nur. Sie muss sein, sie ist etwas für die Öffentlichkeit. Aber dahinter verborgen liegen andere Dinge. Der richtige Wert des Lebens. Das Echte, das Unverfälschte, das uns Lucius gezeigt hat, und wir sind ihm gern gefolgt. Ich weiß, dass auch du ihm gern folgen wirst. Oder uns.«
»Ich habe dich noch immer nicht verstanden.«
Marlene gefiel die Antwort nicht, denn sie zuckte zurück. »Willst du mich für dumm verkaufen?«
»Nein.«
»Du bist hier.«
»Na und?«
»Du bist bei Lucius und seinen Frauen. Du bist gekommen, um in unseren Kreis aufgenommen zu werden. Wir sind hier ganz unter uns. Wir sind von der Welt abgeschottet. Jede aus unserem Kreis hat es mitmachen müssen, da wirst du keine Ausnahme machen. Man wartet auf dich, Glenda, glaub es mir.«
»Und wer wartet, wenn ich fragen darf?«
»Es ist die andere Seite. Es ist das Land, von dem viele Menschen träumen, hingehen zu dürfen. Das musst du dir klar machen. Wenn du daran denkst, ist es einfach nur wunderbar.«
»Und ihr seid alle dort gewesen?«
»So sieht es aus.«
»Wie kommt man hin?«
Marlene runzelte die Stirn. »Hat man dir das auch nicht gesagt?«
»Nein.«
Sie
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