1477 - Das steinerne Grauen
andere Seite befand sich einfach in der besseren Position.
Allerdings wusste Maxine nicht, was diese Person von ihr wollte.
Ihren Tod auf keinen Fall. Das hätte sie leichter haben können. Sie hatte etwas Bestimmtes mit ihr vor, und in ihre Beklommenheit mischte sich auch eine gewisse Spannung.
Carlotta wusste nicht, was hier geschah. Und John Sinclair hatte sie noch nicht informiert. Es war alles anders gekommen, als sie es sich vorgestellt hatte, und es lief nicht zu ihrem Besten.
Die Hunde gingen mit. Sie blieben dicht an Maxines Seite, und die Tierärztin hatte das Gefühl, ihr eigenes Leben zu verlassen…
***
Carlotta war in ihr Zimmer gegangen. In ihre kleine Höhle, in der sie sich wohl fühlte. Aber an diesem Abend oder in dieser frühen Nacht war alles anders.
Sie war sauer. Maxine hätte längst John Sinclair anrufen müssen.
Was sie da erlebt hatten, war kein normaler Fall, und es würde auch kein normaler mehr werden.
Sie legte sich trotzdem aufs Bett. Den Fernseher ließ sie ausgeschaltet.
Sie konnte die Flut an Bildern an diesem Abend nicht ertragen. So klemmte sie ihren Kopfhörer auf und hörte Musik. Das entspannte, und sie legte sich rücklings auf ihr Bett.
Sie hatte sich ein Musical herausgesucht. Vielleicht war es auch Zufall gewesen, aber so genau wollte sie darüber nicht nachdenken und ließ sich von den bekannten Melodien aus dem Musical Phantom der Oper berieseln.
Von dem, was um sie herum geschah, sah sie nichts. Und sie hörte auch nichts, denn es gab nur die Musik. Carlotta hätte das Stück gern mal live erlebt, aber wie es aussah, war das wohl nicht möglich.
Da würde sie wohl ewig warten müssen, und so erging sie sich in ihren Fantasien, wie sie es öfter tat.
Nur war an diesem späten Abend alles anders. Auch wenn Maxine schlafen würde, ihr gelang es nicht, sich zu konzentrieren. Zu viele Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, und alle drehten sich um das, was sie erlebt hatte.
Die Frau und der Hund.
Es war für sie nichts Normales, auch wenn eine Zeitschrift über die Frau berichtet hatte. Das passte einfach nicht zusammen. Ein Tier konnte nicht versteinern und Minuten später wieder normal werden. Da musste einfach Magie mit im Spiel sein.
Und das war etwas für John Sinclair!
Es passte ihr nicht, dass Maxine ihn erst am nächsten Morgen anrufen wollte. John war jemand, der es vertragen konnte, wenn er in der Nacht gestört wurde. Carlotta hätte ihn jetzt gern angerufen, doch sie wollte ihre Ziehmutter nicht übergehen, und so ließ sie es bleiben.
Etwa eine halbe Stunde war vergangen, als sie die Kopfhörer abnahm. Sie richtete sich in ihrem Bett auf. Augenblicklich hatte sie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine äußeren Anzeichen dafür, aber diese Ahnung wollte auch nicht verschwinden.
Sie schaute aus dem Fenster.
Draußen drückte die Nacht gegen die Scheibe. Die Dunkelheit brachte auch die Stille mit.
Sie steckte in einer Zwickmühle. Sie wollte zwar nicht die Pferde scheu machen, aber sie hielt es für wichtig, wenn sie noch vor dem Einschlafen ein paar klärende Worte mit Maxine sprach. Tief schlafen würde sie noch nicht, falls sie überhaupt im Bett lag, denn nach derartigen Vorgängen war nur schlecht Schlaf zu finden.
Als sie den Flur betat, stellte sie fest, dass im großen Wohnzimmer kein Licht brannte. Im Flur stand eine Lampe auf dem kleinen Beistelltisch, aber sie gab nicht mehr als eine Notbeleuchtung ab. Die wies Carlotta auch den Weg zum Schlafzimmer, gegen dessen Tür sie klopfte. Sie erhielt keine Antwort.
Schlief Maxine schon?
Sie klopfte noch mal.
Da sich Maxine auch jetzt nicht meldete, drückte sie die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Ihr Blick fiel in das dunkle Zimmer.
Obwohl kein Licht brannte, sah sie, dass das Bett nicht belegt war und auch noch niemand darin gelegen hatte.
Trotzdem machte sie Licht und sah endgültig, dass sie recht hatte.
Wo steckte Maxine?
Allmählich stieg eine starke Unruhe in ihr hoch. Auf ihrer Oberlippe lag ein dünner Schweißfilm und etwas Kaltes kroch den Rücken herauf. Hastig durchsuchte sie das Haus und nahm sich danach noch die Praxis vor.
Leer – alles leer!
Mit langsamen Schritten und in Gedanken versunken ging sie den Weg zurück in den normalen Bungalow. Was hier passiert war, dafür fand sie keine Worte. Das war alles andere als normal. Nie würde Maxine das Haus verlassen, ohne Carlotta Bescheid zu geben, und schon gar nicht mitten in der Nacht. Hier
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