1491 - Im Schloss der Hexen
magisches, sondern ein normales Feuer war, dessen Flammen aus der offenen Tür fauchten.
Schreie. Panik.
Menschen, die mit ihren Kindern aus der Nähe der brennenden Hütte flüchteten, die erleben mussten, wie stark die Macht der Flammen war, denn sie sprengten das Dach weg. Die Wänden brachen nur wenige Sekunden später zusammen. Es war zu befürchten, dass sich die Flammen ausbreiteten und auf die anderen Holzbauten in der Nähe übergriffen.
Schatten huschten weg. Weiterhin hörte ich die Schreie. Niemand konnte ahnen, wie schnell sich das Feuer ausbreitete. Auch ich hielt Distanz.
Suko kümmerte sich um Evi. Ich konnte die beiden nicht mehr sehen.
Von irgendwoher hörte ich die Pfiffe der Trillerpfeifen, mit denen die Polizisten ausgerüstet waren. Bald würden auch die Sirenen der Feuerwehrwagen zu hören sein. Das übliche Prozedere würde ablaufen, und ich konnte nur hoffen, dass keine Menschen verletzt wurden.
Dann passierte etwas, was mich verwunderte. Ich stand wohl am nächsten zur Hütte hin, und meine Augen waren nur auf dieses Ziel gerichtet. Eigentlich hätten die langen Flammen wie zuckende Greifarme in den Himmel reichen müssen, was aber nicht geschah, denn das Feuer blieb allein auf die Hütte beschränkt.
Zwar waren die Flammen längst nach außen gedrungen, aber sie hatten sich dort wie die Blätter einer Tulpe um die brennende Hütte herum zusammengefaltet. Sie hielten sie praktisch fest und hüllten sie ein. Nur die Hütte brannte, deren Holz wände schließlich zusammenbrachen. Es gab einen gewaltigen Funkenregen, der in die Höhe stob. Kleine Glutteile wurden vom Wind zur Seite geweht und wirbelten durch die Luft.
Ich sah weder etwas von dieser Radmilla noch von dem rotblonden Mädchen. Es gab nur das Feuer, dessen Flammen noch mal kurz aufflackerten, bevor die Reste der Hütte zusammensanken und als Gluthaufen liegen blieben.
Das war es gewesen!
Es passierte nichts mehr.
Menschen hielten sich nicht mehr in meiner Nähe auf. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass auch kein Rauch zu sehen gewesen war.
Nur ein scharfer Brandgeruch erreichte meine Nase. Er löste sich aus den glühenden Trümmern. Mir war klar, dass eine mir unbekannte Macht es geschafft hatte, ihre Spuren zu verwischen.
Polizisten hetzten herbei. Sie wollten mich aus der Nähe der Hütte wegzerren, nahmen aber davon Abstand, als sie erfuhren, wer ich war.
Dann erschienen die ersten Helfer der Feuerwehr. Sie konnten mit dem Löschwagen nicht bis dicht an das Ziel heranfahren, hatten Schläuche ausgerollt und waren einige Meter gelaufen.
Wenig später schossen drei Wasserstrahlen in den Gluthaufen.
Ich konnte mich endlich abwenden und suchte Suko mit dem Kind.
Der Eingang zu der Gasse war verstopft. Keiner der Besucher war mehr darauf erpicht, näher heranzukommen.
Sie alle drängten sich zusammen und schauten dorthin, wo die harten Wasserstrahlen die Glut trafen und sie zum Erlöschen brachte.
Dass Suko sich in der Nähe aufhielt, stand für mich fest. Ich fand ihn gleich darauf. Er hielt sich neben einem Stand auf, an dem Glühwein verkauft wurde. Aber auch hier trank niemand. Die Menschen waren geschockt. Keiner konnte sich vorstellen, wieso ein Feuer so schnell entstehen konnte und ebenso rasch wieder erlosch, ohne dass großer Schaden angerichtet wurde.
Ich war für Polizei und Feuerwehr der beste Zeuge, würde aber, wenn möglich, den Fragen aus dem Weg gehen.
Neben Suko blieb ich stehen. Evi schaute mich aus großen Augen an. Sie hatte sich eng an ihren Beschützer gedrückt und fragte: »Hast du meine Mum gesehen?«
Die Frage verursachte in meinem Innern einen Stich. Ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen und schüttelte den Kopf. »Nein, Liebes, deine Mum habe ich nicht gesehen.«
»Sie war auch nicht im Feuer?«
»So ist es.«
»Und die Hexe? Ist sie verbrannt?«
Ich hob die Schultern. »Das weiß ich leider auch nicht. Es kann sein, aber es muss nicht sein. Du weißt bestimmt selbst, dass Hexen besondere Kräfte besitzen und…«
»Ja, das habe ich oft gelesen. Sie waren meistens böse, aber es gibt auch gute.«
»Sicher.«
Evi sprach weiter. Sie trat dabei von einem Fuß auf den anderen.
»Hier soll es keine bösen Hexen geben. Sonst wären wir erst gar nicht auf den Märchenmarkt gegangen.«
»Das kann ich mir denken.«
»Warum ist die Hütte dann verbrannt?«
Suko schaute mich an. Ich musste mir eine Antwort einfallen lassen. Kinder haben ein gutes Gespür dafür, ob es jemand
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