1492 - Vampir-Attacke
war und sie dann diese Gier nach dem Saft der Menschen gespürt hatte.
Wo sie sich befand, wusste Laura nicht. Um sie herum war es stockfinster. Was einen normalen Menschen in Angst und Schrecken versetzt hätte, das störte sie nicht. Ganz im Gegenteil, sie fühlte sich sogar sehr wohl in diesem Zustand, denn die Finsternis gab ihr einen gewissen Schutz vor irgendwelchen Feinden.
Sie konnte sich bewegen. Es gab keine Hindernisse, die sie aufhielten. Die Welt war eine andere geworden. Dunkelheit gab ihr Kraft, und wenn sie an das Licht dachte, dann verspürte sie auf ihrem Rücken einen Schauer, den sie allerdings nicht als positiv einstufte.
Das Gehen war ihr zunächst schwer gefallen. Aber sie hatte sich schnell daran gewöhnt, und nach den ersten Runden in ihrem Gefängnis ging es ihr schon besser. Da waren die Gelenke viel geschmeidiger geworden.
Sie hatte sogar eine Tür gefunden. Durch Abtasten hatte sie herausgefunden, dass sie aus dickem Holz bestand und zudem abgeschlossen war. Es war für sie unmöglich, sie zu öffnen. Sie musste warten, bis man ihr den Zugang freigab.
Worauf sie saß, hatte sie ebenfalls ertastet. Es war kein Stuhl, sondern eine alte Kiste.
Und jetzt wartete sie. Die Erinnerungen an die Vergangenheit und somit an ihr »erstes« Leben gab es noch, aber sie schwanden immer stärker dahin. Es gab nichts mehr, an das sich Laura erinnern konnte oder auch wollte. Ihre Welt war eine andere geworden, und sie hatte sich schon mit der neuen Existenz abgefunden.
Es musste weitergehen. Sie war nicht tot, sie lebte. Aber sie existierte ohne die menschlichen Gefühle, die ihr Menschsein mal ausgemacht hatten. Laura war jemand, der funktionierte und in etwas anderes hineingeglitten war.
Den Zustand selbst konnte sie nicht beschreiben. Er war ihr neu.
Sie musste sich daran gewöhnen, aber sie wusste auch, dass ihre Verwandlung noch nicht zu Ende war.
In ihrem Oberkiefer hatte sich ein ungewöhnliches Gefühl ausgebreitet. Es war ein Druck, den sie bisher noch nie erlebt hatte, der sich aber noch verstärkte. Sie spürte, dass sich etwas in ihrem Oberkiefer tat.
Laura wollte es genau wissen. Sie hob eine Hand und fuhr mit der Kuppe des Zeigefingers über die obere Zahnreihe hinweg, wobei sie plötzlich zusammen zuckte, weil sie etwas Ungewöhnliches ertastet hatte.
Zwei Spitzen!
Nicht sehr lang, aber deutlich zu spüren. Das war für sie ein völlig neues Erlebnis. Ihre Gedanken drehten sich dabei im Kreis. Sie fand zunächst keine Erklärung, aber sie wusste verdammt gut, dass mit ihr etwas geschehen und ein Ende noch nicht erreicht war. Da war etwas im Werden oder im Wachsen. Zwei Spitzen, die sich bestimmt noch vergrößern würden.
Sie dachte weiterhin über dieses Phänomen nach und kam zu dem Schluss, dass es sich dabei um die Verlängerung ihrer Zähne handelte. Zwei davon waren lang und spitz geworden, und das war nicht grundlos geschehen. Jemand hatte sie präpariert, und jetzt ahnte sie, was aus ihr werden konnte oder würde. Eine Vampirin, eine Person, die vom Blut anderer Menschen lebte, wobei ihr die Zähne als Waffe und als Mittel zur Nahrungsaufnahme dienten.
Laura lachte. Sie konnte nicht anders. Sie musste es tun. Sie hatte plötzlich ihren vorauseilenden Spaß, und aus dem Lachen wurde ein Kichern, das als Echo durch den Raum schwang.
Ihre Sinne hatten sich auf eine bestimmte Weise verschärft. Sie war jetzt in der Lage, gewisse Dinge besser zu hören, und spitzte ihre Ohren.
Da war etwas!
Das Geräusch war nicht in ihrer unmittelbaren Umgebung aufgeklungen. Wahrscheinlich drang es von außerhalb an ihr sensibles Gehör. Laura spürte die Spannung in sich. Ohne dass sie es wollte, drehten sich ihre Gedanken um das Blut der Menschen. Sie konnte sich vorstellen, dass jemand kam, um sie zu treffen. Ein mit Blut prall gefüllter Körper, in den sie nur ihre Zahnspitzen zu schlagen brauchte.
Plötzlich ging alles so leicht. Da flogen ihr die Gedanken einfach zu. Laura wusste jetzt genau, wie sie sich zu verhalten hatte, wenn jemand in ihre Nähe kam.
Etwas scharrte oder quietschte vor ihr, und dann wurde die Tür aufgezogen.
Nein, sie konnte nicht atmen, aber das Geräusch, das sie abgab, hörte sich fast so an. Dabei glich es mehr einem Schlürfen, doch es war keine Flüssigkeit, die sie einsaugte.
Die Tür wurde geöffnet.
Alles lief sehr langsam ab und war auch mit einer gewissen Helligkeit verbunden. Sie setzte sich nicht aus einem strahlenden Licht zusammen. Es war
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