1492 - Vampir-Attacke
mehr ein graues Schummerlicht, das in den Raum floss und sich allmählich ausbreitete. Es glitt über den Boden, erreichte auch Laura, die nicht mehr auf ihrem Platz saß, sondern sich gegen die Wand gedrückt hatte und dort zur Ruhe gekommen war.
Laura schaute nach vorn!
Er stand in der Tür.
Eine hoch gewachsene düstere Gestalt, von der wegen der schlechten Beleuchtung keine Einzelheiten zu erkennen waren. Das brauchte sie auch nicht, denn Laura wusste schon beim ersten Hinsehen, dass der Mann ihr Retter und Entführer war.
Er stand da wie bei einem Bühnenauftritt. Er sagte nichts, und auch Laura sprach ihn nicht an. Er wirkte überhaupt nicht lebendig.
Er sah aus, als wäre er aus einem Stück Holz geschnitzt.
Hätte Laura noch ein normales Herz besessen, es hätte in diesen Augenblicken wie verrückt geklopft. Aber bei ihr klopfte nichts mehr, auch ein Phänomen, über das sie erst jetzt nachdachte und es dann mit einer Handbewegung wegwischte.
Es ging um ihre neue Existenz, und wegen ihr wollte sie keine langen Fragen stellen.
Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern. Laura Willis wusste nicht, was sie von dieser Gestalt halten sollte. Auf der einen Seite war sie ihr unheimlich, auf der anderen fühlte sie sich von ihr angezogen wie jemand, der an einer langen Leine hing, an der mal gezerrt, die aber recht schnell wieder losgelassen wurde.
Der Ankömmling ließ sich Zeit. Er schaute erst, und als er genug gesehen hatte, da nickte er Laura zu. Sie sah es als eine zufriedene Geste an und fühlte sich beruhigter.
Die Tür blieb offen, als sich der Mann in Bewegung setzte. Er blieb innerhalb des grauen Lichtscheins, der Laura überhaupt nicht störte, denn es war kein grelles Sonnenlicht.
Sie sah sein Gesicht besser. Die harten männlichen Züge. Das zurück gekämmte dunkle Haar, das Gesicht, das recht lang war und ein Kinn aufwies, das vorsprang.
Einer wie er wusste genau, was er wollte, und jeder seiner Schritte verriet seine innere Sicherheit.
Laura musste einfach auf seinen Mund schauen, der von zwei schmalen Lippen gebildet wurde, die noch geschlossen blieben. Sie wartete darauf, dass sie sich öffneten und sie endgültig einen bestimmten Beweis bekommen würde.
Er ließ sich Zeit. Seine Jacke aus dünnem Leder schwang bei jeder Bewegung hin und her. Er trug normale Jeans und unter der Jacke einen dünnen Pullover.
Nach dem vierten kleinen Schritt blieb er stehen und starrte die Frau scharf an. Laura hatte nach wenigen Sekunden den Eindruck, dass sie dabei war, in diesem Blick zu ertrinken oder in ihn hineinzutauchen. In ihrer Nähe war alles anders geworden, obwohl die Welt um sie herum die gleiche geblieben war.
Was strömte dieser Mann aus, dessen Namen sie nicht mal kannte? Eine Kälte, zugleich auch eine Faszination, der sich Laura nicht entziehen konnte. Wenn er jetzt an sie herangetreten wäre, ihr die Kleidung vom Körper gerissen und es mit ihr auf dem Fußboden getrieben hätte, sie hätte sich nicht geschämt und voll mitgemacht.
Er tat es nicht. Stattdessen öffnete er seinen Mund spaltbreit und sprach sie an.
»Weißt du, wer ich bin?«
Laura schüttelte den Kopf.
»Ich heiße Ramon.«
Sie nickte, ohne eine Frage zu stellen. Der Name Ramon war ihr ebenso fremd wie diese Gestalt, aber sie wusste verdammt genau, dass er ihr Schicksal bestimmt hatte. Durch ihn hatte sie den neuen Weg eingeschlagen. Er hatte ihr die Gier nach dem menschlichen Blut eingeimpft, und er würde immer ihr Herr bleiben.
Dann lächelte er. Es war ein besonderes Lächeln, denn er öffnete dabei seine Lippen. Sie konnte ihren Blick nicht vom Mund des Mannes lassen, und sie sah deshalb sehr deutlich die beiden Zähne, die aus dem Oberkiefer wuchsen. Sie waren leicht gebogen, aber an ihren Enden sehr spitz – spitzer als ihre Zähne.
Ramon sagte noch immer nichts. Dafür streckte er seine rechte Hand aus und berührte mit den Fingerspitzen ihr Kinn. Laura verspürte den leichten Druck, und sie wusste genau, was sie tun musste.
Sie öffnete den Mund. Sie wollte Ramon das zeigen, wofür er die Ursache gewesen war.
Er schaute genau hin und war zufrieden, denn sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Das Anwachsen der Zähne sah er überdeutlich. Zwar waren sie noch nicht so spitz und kräftig, aber es gab sie schon. Er konnte sie als seine Braut ansehen, die noch im Werden war.
»Du kennst meinen Namen«, flüsterte er, »jetzt möchte ich wissen, wie du heißt.«
»Laura heiße ich. Laura
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