15 Gruselstories
hätte den Film, in dem Jorla spielte, nur für Privatvorführungen gedreht. Durch ein dummes Mißgeschick wäre aber eine Kopie zwischen andere Filmrollen gerutscht und dadurch in den allgemeinen, öffentlichen Umlauf gekommen. Das wäre ein schrecklicher Fehler, der aber nicht rückgängig zu machen sei. Das amerikanische Filmangebot wäre ihm, Karl Jorla, jedoch sehr gelegen gekommen, weil er Österreich sowieso unverzüglich verlassen wollte.
»Als der Film erscheinen tat, bin ich gekommen in ein sehr schlechtes Licht bei meinen Freunden«, erklärte er sehr langsam und nach Worten suchend. »Sie wollten nicht, daß sie gezeigt wird, die Zeremonie.«
»Die Zeremonie?« fragte ich verblüfft. »Sie meinen die Schwarze Messe?« Ich zögerte. »… das sind Ihre Freunde?«
»Ja. Die Anbetung von Luzifer … die war echt, müssen Sie wissen.« Ich starrte ihn an. Wollte er sich mit mir einen Scherz erlauben? Doch nein – an der Aufrichtigkeit dieses Mannes war nicht zu zweifeln. In diesen Augen war kein Platz für einen Scherz. Und dann begriff ich, was er meinte. Ich verstand, was er da wie beiläufig enthüllte. Er war selber ein Teufelsanbeter gewesen – er und jener Filmregisseur. Sie hatten diesen Film nur gedreht, um ihn in ihren eigenen okkulten Zirkeln vorzuführen. Es war kein Wunder, daß er sich nach dem Mißgeschick ins Ausland zurückziehen wollte!
Meine Gedanken drehten sich im Kreise. Ich konnte es nicht fassen. Schwarze Messen in Europa! Ich erinnerte mich, irgendwann irgendwo gehört zu haben, daß es auch heutzutage noch Teufelsanbetungen in Budapest, Prag und Berlin geben sollte, aber ich hatte es nicht geglaubt. Und er, Karl Jorla, der Schreckensdarsteller, gab zu, diesem Kreise anzugehören!
»Das gibt eine prächtige Geschichte«, dachte ich höchst zufrieden, aber fast im selben Augenblick sah ich meine Felle davonschwimmen; denn diese Geschichte konnte natürlich niemals gedruckt werden. Ein Darsteller von Greuelszenen, der zugibt, an die Rollen, die er spielt, zu glauben? Unmöglich!
Alle Interviews mit Boris Karloff ergaben, daß er ein herzensguter Mann war, der seinen wahren Frieden darin fand, sich mit seinem Rasen zu beschäftigen. Lugosie wurde immer als sensibler Neurotiker geschildert, der Höllenqualen bei seinen Filmrollen ausstand. Und über Peter Lorre schrieb man, daß er im Leben so sanft wie ein Lamm sei und keinen größeren Wunsch hätte, als einmal in einem Lustspiel mitzuwirken.
Nein, mit der Geschichte von Jorlas Teufelsanbetung war kein Geschäft zu machen. Und über sein Privatleben schwieg sich Jorla gründlich aus. Fabelhaft!
Als ich mein unbefriedigendes Interview beendet hatte, suchte ich Les Kincaid auf. Ich erzählte ihm von meinen Schwierigkeiten und bat ihn um Rat. Er wußte einen Ausweg.
»Ganz einfach«, sagte er. »Die alte Masche. Der geheimnisumwitterte Mann. Wir sagen gar nichts über ihn und sein Leben, bis der Film herausgekommen ist. Ich habe das Gefühl, daß nachher alles von selber läuft. Der Bursche ist ein Wunder. Zerbrich dir also nicht den Kopf wegen irgendwelcher Geschichtchen, sondern warte, bis der Film abgedreht ist und läuft.« Ich unterließ also meine Bemühungen, für Karl Jorla Publicity zu machen. Heute bin ich darüber froh, denn es gibt keinen, der sich an seinen Namen erinnern könnte oder eine Ahnung von dem Grauen hätte, das sich bald darauf ereignete.
Das Drehbuch war nach einigen Änderungen fertig und fest angenommen. Der Film sollte in Halle vier gedreht werden. Die Besetzung der Rollen war fast abgeschlossen.
Jorla erschien jeden Tag im Atelier, wo ihm Les Kincaid eine Art Englischunterricht
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