15 Gruselstories
Seelenforscher.«
Das mochte sein. Aber im Augenblick war er nichts weiter als ein rührseliger Betrunkener, dessen Gesicht immer mehr verfiel. Er sah sehr alt aus.
Ich wurde wütend. Ich hatte langsam von dieser Geschichte endgültig die Nase voll. Seit einer Stunde saßen wir hier, und ich war gezwungen, für einen senilen, sabbelnden Idioten die Rolle einer Krankenschwester zu spielen. Und das auch noch, obwohl er nicht einmal ein richtiger Patient von mir war!
»Jetzt langt es«, sagte ich und streckte die Hand aus, als Sir Guy erneut nach der Flasche greifen wollte. »Sie haben weiß Gott genug getrunken. Ich möchte Ihnen statt dessen einen Vorschlag machen. Wir sollten uns eine Taxe bestellen und hier verschwinden. Es ist schon spät, und es sieht nicht so aus, als ob unser unbekannter Freund noch auftauchen würde. Und morgen würde ich an Ihrer Stelle die ganzen Dokumente und Papiere dem F.B.I. übergeben. Wenn Sie die Leute dort von Ihrer Idee überzeugen können, werden sie nicht eher ruhen, bis sie Ihren Mann gefunden haben.«
»Nein.« Sir Guy war so halsstarrig wie alle Betrunkenen. »Keine Taxe.«
Nach einem Blick auf die Uhr sägte ich eindringlich: »Wir werden aber auf alle Fälle gehen. Es ist schon weit nach Mitternacht.«
Er seufzte und zuckte die Achseln. Dann erhob er sich schwankend. Als er mit unsicheren Schritten auf die Tür zuging, zerrte er seinen Revolver aus der Tasche.
»Geben Sie mir das Ding«, zischelte ich ihm zu. »So können Sie doch nicht durch die Straße laufen.«
Ich nahm ihm den Revolver aus der Hand und ließ ihn in meiner Manteltasche verschwinden. Dann packte ich seinen rechten Arm und führte ihn an die frische Luft. Der Neger schaute nicht auf, als wir gingen.
Wir standen auf der Straße und froren. Der Nebel war inzwischen noch dichter geworden. Man konnte keine drei Schritte weit sehen. Es war kalt, feucht und stockfinster. Trotz des Nebels war der Wind geblieben. Er flüsterte den Schatten hinter uns seine Geheimnisse zu.
Die frische Luft wirkte auf Sir Guy genauso, wie ich es erwartet hatte. Eine Ginfahne vertrug sich nun einmal nicht gut mit Nebel. Er torkelte neben mir her, als ich ihn langsam durch die dicke Suppe führte.
Sir Guy blickte trotz seiner Betrunkenheit angespannt nach allen Seiten, als erwarte er, daß ein Wesen aus dem Nichts auftauchen würde.
Lange konnte ich mir das nicht schweigend ansehen.
»Seien Sie nicht kindisch«, schnauzte ich ihn an. »Sie und Ihr Jack the Ripper! Sie gehen mit Ihrem Hobby ein bißchen zu weit!«
»Hobby?« Er wandte mir sein Gesicht zu. Durch den Nebel hindurch sah ich, wie verzerrt es war. »Sie nennen das ein Hobby?«
»Wie sollte ich es sonst nennen?« brummte ich. »Wenn es kein Hobby ist, müßten Sie eine Erklärung dafür haben, weshalb Sie so sehr daran interessiert sind, den geheimnisvollen Mörder zur Strecke zu bringen.«
Sein Blick war jetzt so starr, daß ich mich unbehaglich fühlte.
Seine Stimme sank zu einem heiseren Flüstern herab. »Eins der Mädchen … die 1888 in London … Jack the Ripper zum … Opfer fielen … war meine Mutter!«
»Was?«
»Mein Vater hat mich später anerkannt und mir seinen Namen gegeben. Wir haben uns geschworen, unser Leben der Suche nach Jack the Ripper zu widmen. Zuerst hat sich mein Vater auf die Suche gemacht. Er starb 1926 in Hollywood – als er Jack the Ripper auf die Spur gekommen war. Es heißt, daß er bei einem Krawall von einem Unbekannten niedergestochen worden sei. Aber ich weiß, wer der Unbekannte war.
Ich habe dann seine Suche fortgeführt. Ich habe nur für diese Aufgabe gelebt. Und ich werde nicht eher ruhen, bis ich Jack the Ripper gefunden und ihn mit meinen eigenen Händen umgebracht habe.
Er hat meiner Mutter und unzähligen anderen das Leben
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