15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
himmelblaue Handschrift verblasst war, schloss das Notizbuch, lehnte meinen Kopf gegen den Sofarücken und gab mich dem Jetlag hin.
Wie geplant traf ich mich um Punkt vier mit Cameron in der Lobby. Auch wenn er keinen Kommentar zu meinem reduzierten Gepäck äußerte, so sprach sein Grinsen Bände. Er hatte natürlich alles, was er brauchte, in einen Matchbeutel gepackt, der kleiner war als der, den ich bei Kathmandu gekauft hatte.
» Hier«, sagte ich und reichte ihm das Bargeld, das ich aus dem Bankautomaten gezogen hatte. » Sie müssen schließlich nicht die Miete für die Pyms bezahlen. Ruth und Louise würden es nicht gerne sehen, dass Sie Ihr schwer verdientes Geld wegen ihnen aus dem Fenster werfen.«
» Wenn Sie darauf bestehen«, sagte er.
» Allerdings«, entgegnete ich und ging mit ihm zum Wagen.
Als wir losfuhren, hatte ich damit gerechnet, dass wir in Richtung Norden fahren würden, aber Cameron verwirrte mich schon wieder, indem er die südliche Richtung einschlug.
» Wohin fahren wir?«, fragte ich.
» Zurück zum Flughafen«, antwortete er.
» Wir fliegen nach Hokianga?«
» Wir fliegen nach Dargaville und fahren von dort mit dem Auto weiter«, antwortete er.
» Prima«, sagte ich, wobei ich unbedachterweise mit einer schnellen problemlosen Reise rechnete.
Am Auckland Airport passierte Cameron den nationalen und internationalen Terminal und parkte auf einem Platz, der für Privatpiloten reserviert war. Zehn Minuten später fand ich mich auf dem Copilotensitz einer winzigen Propellermaschine wieder, mit Headset ausgerüstet und Falten der Anspannung im Gesicht.
» Wissen Sie, wie man dieses Ding fliegt?«, sprach ich in das kleine Mikrofon, das sich von den Kopfhörern vor meine Lippen wand.
Camerons ruhige Stimme wurde von leisem Knistern untermalt. » Nein, aber ich lerne schnell.« Als ich zu husten begann, hob er besänftigend die Hand. » Entspannen Sie sich, Lori. Ich fliege seit meinem sechzehnten Lebensjahr.«
Ängstlich schaute ich in den Himmel. Ich hatte den Eindruck, als habe Neuseeland gerade jetzt vor, zu demonstrieren, wie wechselhaft sein Frühlingswetter sein konnte.
» Haben Sie die dunklen Wolken bemerkt, die sich im Westen zusammenbrauen?«, fragte ich.
» Da schleicht sich ’ne klamme Brise von der Tassie an«, antwortete er kryptisch. Als er meine Verwirrung bemerkte, erläuterte er: » Eine Tieffront nähert sich von der Tasmanischen See. Könnte für einen lebhaften Flug sorgen. Okay, wir haben die Starterlaubnis vom Tower. Los geht’s!«
Ich war froh, dass ich ein bisschen geschlafen hatte, bevor wir das Hotel verließen, denn während unseres Fluges hätte ich auch mit einem Schlafmittel kein Auge zugetan. Windböen wirbelten unser winziges Flugzeug herum wie eine verspielte Katze ein Wollknäuel, und dichte Regenwände nahmen uns die Sicht. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht luftkrank gewesen, aber als wir Dargaville erreicht hatten, bedauerte ich zutiefst, einen Lunch zu mir genommen zu haben.
Cameron versuchte mich aufzumuntern, indem er mir mitteilte, dass wir auf dem Kalkstein-Rollfeld des Dargaville Aerodrome landen würden und nicht auf einem Grasstreifen, aber allein das Wissen, dass dieser Flughafen noch über einen Grasstreifen verfügte, hob meine Stimmung nicht gerade an. Ich umklammerte die Kante meines Sitzes und entschuldigte mich im Stillen für jede Sünde, die ich je begangen hatte, derweil Cameron die Maschine dem regennassen Rollfeld entgegensteuerte. Aber nach ein paar aufregenden Hopsern landeten wir sicher und rollten auf einen kleinen Hangar zu.
Mit zitternden Händen setzte ich mein Headset ab und fummelte eine Weile vergeblich an dem Verschluss meines Sicherheitsgurtes, aber immerhin knickten meine wackeligen Knie nicht ein, als ich endlich aufstand und aus der Maschine kletterte. Ich zog mir die Kapuze meiner Regenjacke über den Kopf und ließ Cameron das Gepäck allein ausladen. Ich fand, dass er eine Strafe dafür verdient hatte, dass er den Flug durch die Hölle als » lebhaft« angekündigt hatte.
» Camo! Hier bin ich, Kumpel!«, rief jemand.
Ein stämmiger Mann mit hellbrauner Haut winkte uns aus dem Hangar zu. Er war mit einem knielangen Regenmantel bekleidet, trug Shorts und Flip-Flops, und sein kohlrabenschwarzes Haar war extrem kurz geschnitten. Um seinen Hals baumelte ein seltsam geformter Anhänger aus glänzendem grünen Stein, und seine nackten Beine waren von den Knöcheln aufwärts mit Tätowierungen
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