1503 - Die Nacht der Bestien
mich, die richtigen Schlüsse zu ziehen, als das mit dieser armen Joggerin passierte.« Er rieb wieder über seine Augen. »Ich habe mir dann geschworen, ihn zu vernichten. Ich wollte nicht, dass er weiter draußen frei herumlief. Ich bin nun auf der Jagd und hoffe, dass ich ihn erwische.«
»Ja, Mr Hunter«, sagte ich, »wir verstehen Sie. Aber darf ich Ihnen einen Ratschlag geben?«
»Ich höre.«
»Lassen Sie die Finger von ihm. Bitte, tun Sie das auch in Ihrem Sinne. Nicht Sie werden den Werwolf zur Strecke bringen, es wird umgekehrt sein. Überlassen Sie die Jagd nach ihm uns. Sie haben ja gehört, dass wir über die Werwölfe Bescheid wissen.«
Mit dem letzten Vorschlag hatte ich bei ihm einen wunden Punkt getroffen. Er wich einen Schritt vor uns zurück, als wären wir plötzlich aussätzig geworden.
»Auf keinen Fall werde ich das tun!«, flüsterte er. »Marvin, der Werwolf und mein Sohn, gehört mir. Mir ganz allein!« Mit der freien Hand deutete er auf seine Brust. »Da können Sie sagen, was Sie wollen. Das sind familiäre Bande. Und wenn ich sage, dass er mir gehört, dann meine ich das auch so. Ich allein werde ihn richten. Ich werde dafür sorgen, dass er keinen Menschen mehr tötet. Dieses Recht nehme ich mir einfach heraus, verdammt noch mal!«
Ich brauchte den Mann nur anzuschauen, um zu wissen, dass es unmöglich war, ihn umzustimmen. Seine Meinung hatte sich in ihm festgefressen wie Rost auf einem Metallstück.
Noch einen letzten Blick warf er uns zu, und das Flackern in seinen Augen war nicht zu übersehen. Dann drehte er sich auf der Stelle um, wandte uns den Rücken zu und eilte mit langen Schritten davon.
Bill schüttelte den Kopf. »Du hättest ihn festnehmen sollen, John.«
Ich lachte. »Und welchen Grund hätte ich anführen sollen?«
»Seine eigene Sicherheit.«
»So einfach ist das nicht. Wir leben zum Glück in einem freien Land, in dem sich jeder so bewegen kann, wie er will. Mit einer Festnahme ist das nicht so leicht.«
Bill winkte ab. »Ich weiß es ja. Und trotzdem wäre es in seinem Fall besser gewesen.«
»Ja, das ist wohl wahr.«
Der ganze Ablauf gefiel mir nicht. Wir waren davon ausgegangen, Johnny Conolly und seine Freunde zu finden. Und natürlich die Spur von diesem Werwolf. Stattdessen war uns dieser Marc Hunter begegnet, der ebenfalls über die Existenz der Bestie Bescheid wusste. Und das war nicht gut.
Bill nahm den Faden wieder auf. »Dann würde mich jetzt interessieren, wo wir Johnny und seine Freunde finden. Und wie wir weiterhin bei unserer Suche vorgehen.«
Ich hätte ihm gern eine Antwort gegeben, aber dazu kam ich leider nicht mehr, denn ich hörte etwas anderes.
Es war so etwas wie eine Antwort. Nur dass sie aus einem heulenden Laut bestand, und wenn mich nicht alles täuschte, war er nicht mehr so weit entfernt aufgeklungen wie beim ersten Mal…
***
Der Rückmarsch!
Keiner aus der Gruppe der jungen Leute war davon begeistert gewesen, auch Johnny nicht. Aber es gab für sie keine andere Alternative. Sie mussten den Weg gehen, denn hätten sie vorher gewusst, was passieren würde, dann hätten sie ihren Plan geändert. So aber mussten sie in den sauren Apfel beißen und durch die Nacht bis zu ihrem Wagen gehen.
Johnny Conolly hatte die Führung übernommen. Hinter ihm ging Jenny Modner, die im Gegensatz zu sonst recht ruhig war und ihren Mund kaum aufmachte. Hin und wieder waren ein paar Worte zu hören, die aber sprach sie mehr zu sich selbst.
Johnny dachte weniger an den Weg, sondern an den verdammten Heullaut.
Das war alles anderes als ein Spaß gewesen. Der stammte auch nicht von einem normalen Tier, da hatte Johnny schon seine Erfahrungen sammeln können. Wer so heulte, konnte nur ein Wolf sein, und zwar ein spezieller, wie er wusste.
Johnny wäre schneller gegangen, wenn er allein gewesen wäre. Aber er achtete darauf, dass die anderen mit ihm Schritt halten konnten. Er versuchte zwar, ein schnelleres Tempo vorzulegen, was den beiden Letzten in der Reihe aber nicht passte, denn schon bald hörte er Robby Colemans Beschwerde.
»He, nicht so schnell! Hast du irgendeinen Termin oder was?«
»Ja, mit unserem Wagen.«
»Der wartet auch noch später auf uns.«
Johnny drehte sich um und blieb stehen. »Ja, das stimmt. Er wartet noch später auf uns. Aber es kann auch ein anderer auf uns warten. Oder habt ihr den verdammten Heullaut vergessen? Habt ihr das? Das ist nicht normal gewesen, verdammt. Da lauert etwas in der Dunkelheit, und ich
Weitere Kostenlose Bücher