1519 - Das Leichenbild
allen Ruhemöglichkeiten ist.«
»Du hast es mal wieder erfasst, John.«
***
Es gab eine Direktverbindung zwischen London und Wexford. Man musste nur früh genug aufstehen. Das war für mich kein Problem und auch keines für den Gefangenen, der sein Glück kaum fassen konnte, dass er für einige Tage beurlaubt war.
»Wie haben Sie das denn geschafft?«, fragte er immer wieder und auch noch, als wir in der Maschine saßen.
Die Wahrheit verschwieg ich und sagte nur: »Nehmen Sie es bitte hin, Mr Jackson.«
»Ja, natürlich.«
Für mich war der Flug normal, aber Jackson konnte seinen Blick nicht vom Fenster lassen, um aus dieser Höhe die Freiheit zu genießen.
Selbst als wir über die Irische See flogen, blickte er nach unten, denn graues Wasser war immer noch besser als graue Gefängnismauern.
Ich kannte den kleinen Flughafen von Wexford, und zudem war ich jemand, der Flüge dazu nutzte, um die Augen zu schließen. Irgendwie hatte ich es im Gefühl, immer dann aufzuwachen, wenn die Landung kurz bevorstand. Und das war auch hier nicht anders.
Wir hatten bereits an Höhe verloren, und ich sah unter mir den Leuchtturm von Rosslare Harbour. Die Maschine musste noch einen kleinen Schwenk nach Norden über Wexford machen, bevor sie zur Landung ansetzte.
»Wie geht es Ihnen, Mr Sinclair?«
»Gut, und Ihnen?«
Jackson hob die Schultern. »Das kann ich nicht so genau sagen. Eigentlich recht gut, aber ich habe auch ein wenig Magendrücken.« Er deutete auf eine Stelle zwischen den beiden Schößen seiner braunen Lederjacke.
»Das ist natürlich.«
»Und ich habe nicht das Gefühl, wirklich nach Hause zu kommen. Da bin ich anders als meine Frau.«
»Wäre sonst auch ein kleines Wunder.«
Ich machte den Hals lang und sah, dass wir die Landebahn fast erreicht hatten. Sie lag wie ein breiter grauer Hosenträger in der ansonsten grünen und ländlichen Landschaft, die mit grauen Felsen durchsetzt war.
Wir landeten. Die Maschine schwankte ein wenig, rollte dann aus und stand.
Einige Passagiere in der nicht voll besetzten Maschine klatschten. Das tat Ebby Jackson nicht. Als ich ihm einen Blick von der Seite her zuwarf, sah ich die Feuchtigkeit auf seiner Stirn, die Schweißtropfen hinterlassen hatten.
Das hing sicherlich nicht mit dem Flug zusammen. Er würde an das denken, was noch vor ihm lag.
Wir stiegen aus. Zum Glück regnete es nicht, als wir über das Rollfeld schritten, um die Abfertigungshalle zu erreichen.
Wexford hatte einen noch gemütlichen Flughafen, der auch nicht oft angeflogen wurde.
Aber es gab die Filialen von drei Verleiherfirmen für Autos. Dort hatte ich bereits einen Wagen bestellt. Er war sogar fast nagelneu, ein dunkelblauer Opel Meriva.
Wir fanden ihn auf einem Parkplatz, als alle Formalitäten erledigt waren.
Ich setzte mich hinter das Lenkrad. Bis Blackwater waren es ungefähr zehn Kilometer, ein Katzensprung, und Wir konnten sogar auf einer Straße bleiben, die eine wirklich grüne Landschaft durchschnitt, die nicht von Bergen beherrscht wurde, sondern von weichen, weit gestreckten Hügeln mit flachen Kuppen. Das Meer war auch nicht weit entfernt, aber wir bekamen den grauen Teppich nicht zu Gesicht.
Es sah nicht so aus, als würde mein Begleiter seine eingeschränkte Freiheit genießen. Er wirkte wie jemand, der unter Strom stand. Immer wieder wischte er über seine Stirn, und das umso öfter, je näher wir dem Ziel kamen.
Der Kirchturm war bereits zu sehen, als ich Jackson eine Frage stellte.
»Wo möchten Sie zuerst hin? Oder wo könnte es sich lohnen?«
»Ich dachte an den Friedhof.«
»Gut.«
»Ich will das Grab meiner toten Frau sehen.«
»Einverstanden. Sie müssen mir nur den Weg zeigen.«
»Das ist leicht. Wir sollten uns zunächst in Richtung Kirche halten. Alles andere ist kein Problem. Und noch eines, Mr Sinclair. Wundern Sie sich nicht, wenn ich mich ducke. Ich möchte nicht unbedingt schon jetzt erkannt werden.«
»Das ist Ihr Problem.«
Ebby Jackson duckte sich tatsächlich, als wir den Ortseingang erreichten.
Blackwater war ein kleiner verschlafener Ort, nicht einmal düster, obwohl der Himmel eine graue Wolkendecke zeigte. Die meisten Häuser hatten einen hellen Außenanstrich und manchmal Fensterläden in verschiedenen Farbtonen.
Es gab natürlich eine Hauptstraße, aber auch einige schmalere Straßen, die vom Zentrum wegführten und dort endeten, wo die neueren Häuser standen und sich mehr Raum zwischen ihnen befand.
Die Kirche lag links davon. Ein
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