152 - Die Tochter des Magiers
schlimmer nicht sein konnte.
Wie lange würde es wohl noch dauern, bis ich entweder das Bewußtsein oder den Verstand verlor?
Jemand griff nach dem Silbereimer.
Kettwen mußte wiedergekommen sein. Um mich zu füttern? Um mich zu schlagen? Selbst die Peitschenhiebe waren mir noch lieber als die Qual unter dem Silberkübel.
Das magische Gefäß hob sich, und ich spürte eine unbeschreibliche Erleichterung. Endlich kein Lärm mehr. Endlich keine bedrohliche Schwärze, die alles auffressen wollte, was gut in mir war.
Ich rechnete fest damit, Kettwen, den feisten Silberdämon, wiederzusehen. Wer sonst hätte mir den silbernen »Helm« abnehmen sollen? Bestimmt hatte niemand die Erlaubnis dazu.
Als ich sah, wer mir wirklich dieses ungewöhnlichste aller Folterinstrumente abgenommen hatte, zweifelte ich an meinem Verstand. Na also, ging es mir durch den hämmernden Kopf. Du bist bereits verrückt, hast Halluzinationen. Wie sonst ließe es sich erklären, daß du Boram siehst?
»Herr!« sagte der Nessel-Vampir.
Ich schüttelte den Kopf; die Ketten rasselten. »Verschwinde!« sagte ich heiser. »Ich weiß, daß ich dich nicht wirklich sehe.«
»Doch, Herr, ich bin es.«
»Eine Täuschung. Du willst mich quälen.«
»Soll ich dich berühren, damit du mir glaubst?«
»Ja«, stöhnte ich. »Nur wenn ich dich spüre, weiß ich, daß du wahrhaftig vor mir stehst.«
Seine Hand strich ganz kurz über meine Wange, Es brannte höllisch, und ich riß verdattert die Augen auf. »Boram! Wie… wie hast du mich gefunden… Großer Gott… Bist du allein?«
»Nein, Herr. Roxane und Mr. Silver haben mich vorgeschickt. Ich sollte dich suchen.« Knapp schilderte mir der weiße Vampir, wie es ihnen gelungen war, mich zu finden. Boram machte nie viele Worte. Er hielt keine Volksreden. Das überließ er anderen.
»Kettwen unterzog mich einer Gehirnwäsche«, sagte ich.
»Wie fühlst du dich?«
»Miserabel.«
»Wirst du die Strapazen der Flucht aushalten, Herr?«
»Mit Sicherheit, denn als Lohn winkt mir die Freiheit. Kannst du mir die Ketten abnehmen, Boram?«
Der Nessel-Vampir schüttelte den Kopf. »Gedulde dich nur noch kurze Zeit, Herr. Ich hole Roxane und Mr. Silver.«
»Beeile dich«, sagte ich mit belegter Stimme. »Ich habe genug von Kettwens Gastfreundschaft, möchte sie nicht länger in Anspruch nehmen. Sie ist mir zu herzlich.«
Der Nessel-Vampir wollte den großen Raum verlassen, da öffnete sich die Tür, und Kettwen trat ein.
***
Im Palast, vor dem heiligen Feuer, standen Sabras Dienerinnen. Als Meate den Barbarenfürsten erblickte, wünschte sie sich, stark genug zu sein, um ihn töten zu können. Sie hätte keine Sekunde gezögert, ihn anzugreifen. Einige seiner Krieger betraten hinter ihm den Saal, als wollten sie ihn beschützen. Es wäre nicht nötig gewesen, denn er brauchte keinen Schutz. Niemand konnte ihm gefährlich werden. Er war nun der Größte auf der Silberwelt.
»Willst du wissen, womit ich dich bezwungen habe?« fragte Ronsidor kalt lächelnd.
»Ich hörte von einer Wunderwaffe«, sagte Sabra.
Ronsidor nahm den Bogen ab. »Das ist sie.«
»Ein Bogen?« fragte Sabra überrascht.
»Kein gewöhnlicher Bogen. Es war sehr schwierig, ihn zu bauen.«
Sabra sah die lebenden Teufelsköpfe, die sie vom Bogengriff her höhnisch angrinsten. »Niemand hat die Kraft, diesen Bogen zu spannen«, tönte der Schreckliche. »Nur ich. Ich schoß einen Pfeil von einem Zauberberg in den Krater des anderen, stellte so zwischen den beiden Bergen eine magische Verbindung her und schuf die Kuppel, die sich über deine Kraft stülpte und sie aufsaugte. Damit leitete ich den Untergang von Thermae ein. Nun kann ich daran gehen, die Silberwelt vom Einfluß der Hölle zu säubern. Aber das alles wirst du nicht mehr erleben, Sabra.«
Der Schreckliche holte einen Pfeil aus seinem Köcher.
»Willst du mich töten?« fragte Sabra unerschrocken. »Wozu? Ich habe kapituliert, ich bin schwach. Meine ganze Zauberkraft gehört dir. Was hat es für einen Sinn, mir das Leben zu nehmen?«
»Dein Volk wird nicht aufhören, dich anzubeten, solange du lebst.«
»Das kann dich doch nicht stören.«
»Doch, aber da ist etwas, das mich noch viel mehr stört: daß du mich für einen Dummkopf hältst!«
Sabra schaute ihn irritiert an. Ronsidor lachte. »Denkst du, ich durchschaue dich nicht? Du hast rechtzeitig kapituliert, um einen kleinen Teil deiner Kraft für dich retten zu können. Später hättest du sie dann hinter meinem
Weitere Kostenlose Bücher