1522 - Teuflische Gespielinnen
Menschen aus.«
»Und dann?«
»Er braucht sie eben.«
»Was hat er mit ihnen vor?«
»Das wissen wir nicht. Wir haben ihn nur befreit. Aber er hat nichts vergessen. Er hasst die Menschen. Nur diejenigen, die ihn befreit haben, liebt er.«
»Also euch.«
»Ja, denn die Menschen haben ihn zu sehr enttäuscht. Sie waren es schließlich, die ihn gefangen genommen und in den Spiegel verbannt haben. Nicht in einer Flasche, sondern in einem Spiegel. Dort hat er dann sein Dasein gefristet.«
»Und ihr habt diesen Bann aufgehoben.«
»Wir sind stolz darauf.«
»Toll. Eine tote Frau hat es schon gegeben. Ich weiß, dass er unterwegs ist und den Menschen Angst macht. Noch bedroht er sie nur. Warum Alma Sorvino sterben musste, weiß ich noch nicht. Aber ich schwöre euch, dass ich es herausfinden werde, und wenn er schon mal draußen ist, dann werde ich dafür sorgen, dass er nicht mehr in den Spiegel zurückkehren kann.«
»Was willst du tun?«
Ich schaute der Frau in die Augen. Und ich sah, dass sie wie unter Dampf stand. Sie hatte Mühe, die Beherrschung zu bewahren.
»Ich werde euren Spiegel zerstören. Es ist die einzige Möglichkeit, um den Dschinn für immer von den Menschen fernzuhalten.«
Ihr Blick traf mich noch immer. Nur hatte er sich verändert. Von einem Triumph wollte ich nicht sprechen, der darin lag, aber ich schien etwas übersehen zu haben, und das wurde mir auch bald klargemacht.
»Sollte es dir gelingen, den Spiegel zu zerstören, hast du noch längst nicht gewonnen. Das käme einer Niederlage gleich!«, kreischte Sidney mich an. »Du willst ihn doch fangen, aber dann ist er frei.« Sie bewegte ihre Hände hektisch hin und her. »Dann hat er keine Chance mehr, irgendwo einen sicheren Unterschlupf zu finden. Ja, versuche es nur, und du wirst erleben, dass ich recht behalte.«
Auch ein Geisterjäger kann sich irren. Das war hier leider der Fall. Ich hob die Schultern an und nickte der Nackten zu. »Ja, das sehe ich ein.«
»Sehr gut. Und was willst du jetzt tun?«
»Ich könnte hier bei euch auf ihn warten. Das wäre doch gar nicht mal so schlecht - oder?«
»Nein, aus deiner Sicht nicht.«
»Eben.«
»Aber wir mögen es nicht, wenn seine Feinde auf ihn warten.«
»Ich soll gehen?«
»Du wirst es nicht freiwillig tun.«
»Das ist schon richtig.« Um die Lage nicht eskalieren zu lassen, wechselte ich das Thema und fragte: »Wo könnte sich euer Geliebter denn aufhalten? Oder schwirrt er irgendwo hier als Geist herum?«
»Er hat uns nicht in seine Rachepläne eingeweiht.«
»Rache also?«
»Das weißt du doch. Menschen haben ihn eingesperrt. Menschen haben ihn verflucht, und deshalb kann man nicht erwarten, dass er den Menschen freundlich gegenübersteht.«
»Und wo könnte er sein?«
»Das hier ist sein Gebiet, und es ist durchaus möglich, dass er hier Menschen findet, bei denen es sich lohnt, sie zu töten.«
Das war eine Antwort, die ich nicht akzeptieren wollte. Sie ging mir partout gegen den Strich.
Plötzlich fiel mir Suko ein, der nur mal eben nach gegenüber in die Wohnung der Toten hatte gehen wollen, um dort nachzusehen. Bisher hatte er sich noch nicht wieder gemeldet, und darüber machte ich mir schon meine Gedanken.
Die beiden Frauen wurden zur Nebensache. Ich drehte mich um, ging zum Fenster und riss den Vorhang zur Seite. Auf die Proteste der beiden Frauen achtete ich nicht.
Mein Blick glitt über die Straße hinweg.
Das Bild war gleich geblieben. Ich schaute direkt auf das scheibenlose Fenster, dessen Öffnung nur schwach erhellt war. Es kam mir vor wie eine winzige Bühne, dessen Vorhang schon geöffnet war, ohne dass Akteure sie betraten.
Hinter mir hörte ich Sidney Viper in einem süffisanten Tonfall sagen: »Na, schon etwas gesehen?«
»Ja, das Fenster.«
»Und weiter?«
Ich schwieg, was ihr auch nicht gefiel. Sie drängte sich neben mich, brauchte nur einmal zu schauen und stieß dann ein glucksendes Lachen aus, bevor sie sagte: »Willst du nicht hinüber und nachschauen?«
Ja, das hätte ich gern getan. Ich ließ es trotzdem bleiben, denn ich wollte den Spiegel nicht ohne Aufsicht lassen und damit dem Dschinn die Möglichkeit geben, hierher zurückzukehren und wieder im Spiegel zu verschwinden.
»Ich bleibe«, sagte ich.
»Warum?«
Ich drehte mich vom Fenster weg. »Es geht euch nichts an.«
»Er wartet auf unseren Dschinn«, erklärte Blanche, die lange nichts mehr gesagt hatte.
»Stimmt.« Ich sprach Blanche an. »Und du kannst mir glauben,
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