1540 - Das Drachenriff
richtig gehört. Ich gehe zur Tür, öffne sie einen Spalt und schaue hinaus.«
Gudrun und Tore schwiegen. Aber sie schauten Purdy Prentiss an, als hätte diese soeben ihr Todesurteil gesprochen, nur dass die Blicke in der Dunkelheit nicht so genau zu sehen waren.
»Das ist selbstmörderisch«, sagte Tore. »Das verdammte Monstrum wird dich fressen. Und wenn die Tür erst offen ist, dringt es ein und verspeist auch uns.«
Purdy schüttelte den Kopf. »Hört zu, es muss einen Grund dafür geben, warum er mit den Versuchen aufgehört hat, die Tür einzuschlagen. Vielleicht ist das auch eine Chance für uns.«
»Ich sage nichts mehr«, flüsterte Tore.
»Keine Sorge, ich passe schon auf.«
Gudrun und Tore schluckten nur. Sie fassten sich wieder an den Händen und warteten ab, was passieren würde.
Der Staatsanwältin war alles andere als wohl in ihrer Haut. Sie wusste sehr genau, welch schwerer Gang vor ihr lag. Zittrige Knie, ein schaler Geschmack im Mund und kalter Schweiß auf der Stirn waren die Folgen.
Sie wusste auch nicht, wer ihnen außer John Sinclair helfen konnte.
Okay, sie hatte von der Insel aus das nicht sehr ferne Land gesehen, aber von dort hatte sich kein Boot gelöst, um in ihre Richtung zu fahren, und das würde sicher auch so bleiben.
Die Tür hatte sie recht schnell erreicht. Purdy öffnete sie noch nicht sofort. Sie legte erneut ein Ohr gegen das Holz, um zu lauschen, ob sich auf der anderen Seite etwas tat.
Da war nichts, abgesehen vom Rauschen der See, doch das klang sehr weit entfernt.
Auch innen hatte die Tür einen Griff. Aber auch einen Holzbalken, der als Riegel diente, um die Tür zu versperren, damit von außen keiner so leicht hereinkam.
Sie löste den Riegel und legte den Balken zu Boden. Noch einmal volle Konzentration. Dabei umfasste sie bereits den Griff mit beiden Händen.
Das erste Ziehen.
Die Tür öffnete sich.
Purdy war darauf gefasst, dass sie plötzlich von außen einen Schlag erhalten würde, der sie nach innen schleudern und von den Beinen reißen würde.
Nichts in dieser Art geschah. Es erfolgte kein Angriff von außen, und so wurde Purdy Prentiss mutiger.
Sie zog die Tür noch weiter auf. Jetzt hätte sie die Drachenschlange sehen müssen, aber sie sah sie nicht.
Ihr Adrenalinspiegel sank. Der Gedanke, dass sich das Glück gedreht und sich auf ihre Seite gestellt hatte, nahm wieder feste Formen an. Ein erstes scheues Lächeln huschte über ihre Lippen, und sie zerrte die Tür so weit auf, dass sie den Kopf nach draußen strecken konnte, um so einen besseren Überblick zu haben.
Das Ungeheuer war noch da. Nur nicht mehr in seiner alten Position. Es hatte sich umgedreht und wandte Purdy Prentiss den Rücken zu.
Etwas anderes hatte das Monstrum abgelenkt und seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
Es war ein Mensch.
Suko!
***
Wenn es je eine Überraschung für Purdy Prentiss gegeben hatte, dann war es in diesem Fall. Sie hatte von John Sinclair gesprochen, an ihn hatte sie als Retter gedacht, nicht aber an Suko, seinen Freund und Kollegen, der dort auf dem Fleck stand und sich um keinen Deut bewegte. Er hielt seinen Blick auf das Monstrum gerichtet und bewegte sich nicht von der Stelle. Das musste an der Überraschung liegen, die auch ihn in ihren Klauen hielt.
Ob Purdy von Suko gesehen wurde, wusste sie nicht. Wahrscheinlich nahm ihm der massige Körper der Drachenschlange den Blick auf sie.
Wenn das zutraf, dann wollte sie sich zumindest akustisch bemerkbar machen und seinen Namen rufen, damit er wusste, wo sie sich aufhielt.
Purdy verpasste den Zeitpunkt, denn das Seemonster war schneller. Der massige Körper zuckte nach vorn, und Purdy konnte sich nur darüber wundern, wie schnell dieser mächtige Körper war. Zugleich setzte er auch seinen Schwanz ein. Er schlug damit einen Bogen, um den Menschen zu treffen. Möglicherweise wäre das auch gelungen, hätte Suko nicht zuvor reagiert. Er sprang zurück und geriet damit in die Zone, die noch immer vorhanden war.
Purdy Prentiss sah das silbrige Schimmern für einen winzigen Moment, dann war Suko verschwunden, und sie konnte sich denken, wo er wieder auftauchte.
Wenn er in der Wohnung des Toten beim Spiegel war, dann war auch John Sinclair nicht weit, und Suko würde ihm Bericht erstatten.
Was tat das Ungeheuer?
Noch blieb es liegen und schien unwillig seinen Kopf zu schütteln, weil ihm eine Beute entgangen war. Dann aber wälzte es sich herum und nahm wieder seine alte Position ein.
Sofort
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