1559 - Atlan und der Linguide
aussprach, aber es gab offensichtlich viele, die ihm in Gedanken beipflichteten. „Hier geht es um das Schicksal meiner Welt", fuhr er fort. „Und du hast nichts Besseres zu tun, als dich mit sinnlosen Streitereien abzugeben. Ich hätte dich für klüger gehalten!"
„Fürchte dich nicht", empfahl der Arkonide mit beißendem Spott. „Er wird es nicht wagen, auch nur einen Schuß abzugeben, bevor er bekommen hat, was er haben will. Außerdem ist die Frist noch längst nicht abgelaufen."
„Das da oben ist ein Gegner, den du nicht mit normalen Maßstäben messen darfst", warnte Aramus Shaenor. „Ich halte es durchaus für möglich, daß er nicht erst wartet, bis die Frist um ist. Er könnte schon vorher das Feuer eröffnen, um seine Drohungen zu unterstreichen. Es wird ihn herzlich wenig kümmern, wieviel Schaden er dabei anrichtet. Er ist um des Prinzips willen hier. Er will die Bewohner von Drumbar bestrafen. Dafür wird er im Zweifelsfall die erhoffte Beute opfern und seine eigenen Leute noch dazu."
„Bist du dir da so sicher?" fragte Atlan herausfordernd. „Kennst du ihn etwa schon?"
„Nein", erwiderte der Linguide. „Na also! Dann ..."
„Aber du kennst ihn!" fuhr Aramus Shaenor fort.
Der Arkonide runzelte die Stirn. „Willst du diesen Leuten hier auch noch einreden, daß ich mit falschen Karten spiele?" fragte er eisig. „Ich habe nicht gesagt, daß du ihn erkannt hast und nur so tust, als wäre er dir fremd", korrigierte der Linguide. „Aber du kennst ihn, und er kennt dich."
„Woher willst du das wissen?"
„Ist dir das nicht klar? Wir dürfen sicher davon ausgehen, daß er sehr genau weiß, daß du dich hier auf Drumbar aufhältst. Er zeigt sich uns nicht. Er verstellt sogar seine Stimme, weil er Angst hat, erkannt zu werden. Er spricht über einen Synthesizer."
Atlan warf Tassagol einen fragenden Blick zu.
Tassagol nickte. „Der Linguide hat recht", sagte er. „Die Stimme ist künstlich verändert."
„Das muß nicht unbedingt mir gelten", meinte Atlan. „Wem denn sonst?" fragte Aramus Shaenor. „Von allen, die hier anwesend sind, bist du der einzige, dessen Feind er sein könnte."
„Deine Art von Logik leuchtet mir nicht ganz ein", sagte der Arkonide.
Er warf einen Blick in die Runde und stellte fest, daß der Friedensstifter die anderen bereits so gut wie vollständig auf seiner Seite hatte. Selbst Tassagol war offensichtlich drauf und dran, mit fliegenden Fahnen zu Aramus Shaenor überzulaufen.
Wie, zur Hölle, macht er das bloß? dachte Atlan wütend. „Halte sie auf!" sagte Aramus Shaenor - es klang fast wie ein Befehl. „Laß es nicht zu, daß sie diese Welt vernichten!"
„Von schönen Reden magst du etwas verstehen", bemerkte der Arkonide bissig. „Aber von Waffen und ihrer Anwendung hast du keine Ahnung. So schnell kann man einen Planeten nun auch wieder nicht zerstören!"
„Sei dir da nicht zu sicher!" warnte der Linguide. „Wie gut kennst du dich in der Ökologie von Drumbar aus?
Ein einziger Treffer am falschen Ort und zum falschen Zeitpunkt kann diese Welt aus dem Gleichgewicht bringen."
„Wollt ihr nicht endlich etwas tun?" schrie Faragit plötzlich in ohnmächtiger Wut.
Tiefe Stille folgte diesem heftigen Ausbruch.
Faragit drehte sich im Kreis. In seiner Verzweiflung wirkte der Biont hilflos wie ein Kind.
Schließlich wandte er sich an Atlan: „Wie kannst du Drumbar einen jämmerlichen kleinen Planeten nennen?" fragte er zornig. „Wer gibt dir das Recht dazu, solche Urteile zu Fällen? Dies ist ein Planet, auf dem sich eigenes Leben entwickelt hat. Jede einzelne Art dieses einheimischen Lebens ist einzigartig im ganzen Universum. Ist dir das nicht klar? Begreifst du denn nicht, daß es Milliarden von Jahren gedauert hat, bis sich das Leben da draußen bis auf den jetzigen Stand entwickeln konnte? Soll das alles vernichtet werden, nur weil ein verrückter Stratege auf Kosten dieses Planeten Krieg spielen will und ein arroganter Arkonide nichts anderes dagegen zu tun weiß, als dummes Zeug zu reden?"
Atlan war wie erstarrt.
Er blickte Faragit an, der vor ihm stand, groß, dick und mißgestaltet, mit geballten Händen und Tränen in den Augen, und ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf.
Es war kein Mitleid.
Es war etwas ganz anderes: Er schämte sich vor diesem Bionten, der trotz all der Ungerechtigkeiten, die er im Lauf seines kurzen Lebens erfahren hatte, immer noch von einer so leidenschaftlichen und bedingungslosen Liebe zur Welt und zum Leben
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