1584 - Agent an drei Fronten
Egenverro auf Arkon gebracht hatte, waren auf beiden Seiten zusammen schon mehr als vierhundert Intelligenzen in diesem sinnlosen Rassenkrieg umgekommen.
Yart Fulgen verfügte über einen scharfen analytischen Verstand, der von sachlicher Bescheidenheit geprägt wurde. Er besaß aber auch Emotionen. Er glaubte, sie zu kontrollieren.
Auf Ascullo dominierten die Emotionen. Und keine Seite kontrollierte sie. Das war unlogisch. Und falsch.
Ein Teufelskreis.
Er faßte sich unbewußt an die von Natur aus zu groß geratene Nase. Seine frühere Maske als schüchterner Mitläufer - er hatte sie noch nicht abgelegt. Und tief in seinem Innern, an der Grenze zum Unterbewußtsein oder ein bißchen dahinter, lebte ein Gedanke. Er würde den anerzogenen Charakterzug nie ablegen. Gefühlsausbrüche waren erlaubt, aber ... „Schau dir die Stadt an!" unterbrach Egenverro seine Gedanken. Der halborganische Roboter besaß das Talent, stets im falschen Moment etwas zu sagen. „Ich erkenne Barrieren aus Geröll und Energie, Sperren und Transparente mit Drohungen und Verleumdungen. Der Weiterflug wird nicht ganz ungefährlich. Wohin soll ich den Gleiter steuern?"
„Unweit der ITK-Agentur Jolanthe del Hindingnas gibt es ein Hotel mit dem Namen Kwiens. Nach meinen Informationen von Arkon und denen aus den Unterlagen der Aras vom Raumhafen kann man das Hotel ohne Behinderung aus dem Luftraum anfliegen. Worauf wartest du also noch?"
Egenverro zog das Gefährt in größere Höhe, aber schon bald blinkte ein Warnlicht auf, und eine Stimme meldete sich über Funk: „Unbekannter Privatgleiter! Identifikation erforderlich!
Sendet eure Kodierungsnummer!"
Woher der Anruf kam, ließ sich nicht feststellen.
Der Semi-Androide betätigte mehrere Tasten an der Steuerkonsole. Das Warnlicht erlosch. Sie konnten den Flug fortsetzen. Auch dieser kleine Zwischenfall war typisch für die angespannte Lage. „Mußte das sein, daß du dich auch als Professor ausgibst?" fragte Yart Fulgen. „Nach unseren Vorgesprächen solltest du doch den Assistenten spielen. Oder hat dein Glatzkopf dich dazu verleitet, dich ..."
„Quatsch, Professor!" Der ITK-Mann begann sich an die Dreistigkeit seines Begleiters mehr und mehr zu gewöhnen. Daß man Gesprächspartner zumindest bisweilen ausreden ließ, schien in seinen syntronischen Basisprogrammen vergessen worden zu sein. Yart Fulgen beschloß, diese Tatsache in seinem Erfahrungsbericht über Egenverro dem ITK-Kommandeur gegenüber besonders zu erwähnen. „Quatsch ist keine wissenschaftliche Formulierung", erklärte Fulgen. „Der Wissenschaftler bist du", meinte der Semi-Androide. „Nicht ich. Ich formuliere nach meinem Geschmack."
Yart Fulgen verzichtete auf eine Entgegnung.
Kurz darauf kam das Kwiens-Hotel in Sicht. Ein Blinksignal auf seinem Dach und eine große Leuchtschrift luden zur Landung ein.
Während Egenverro den Gleiter auf das Hoteldach zusteuerte, drehte er sein Gesicht dem Plophoser entgegen. In Sekundenbruchteilen hatte er sein Äußeres verändert. Und trotz der Drohung Fulgens hatte er das Aussehen des ITKKommandeurs Kotminak angenommen. Die plötzlich an seinem Kopf erschienenen silbergrauen Haare, die bis an die Schultern reichten, wehten im Fahrtwind des offenen Gefährts. „Ich freue mich immer wieder", sprach Egenverro mit der Stimme Kotminaks, „wenn meine Agenten saubere Arbeit liefern. Das macht sie so sympathisch. „Cantaro-Verschnitt!" konterte der Plophoser nur. „Manchmal glaube ich, es wäre besser gewesen, wenn Kotminak dich in seiner robotischen Bastelwerkstatt behalten hätte."
4.
31. Juli 1173, Planet Ascullo im Tramor-System, M13, Kwiens-Hotel: Yart Fulgen beschloß nach dem Frühstück, eine neue Spur zu legen. Drei Tage lang war er mit Egenverro zur Erforschung der Meeresfauna unterwegs gewesen, aber nichts war passiert.
Er hatte geglaubt, daß die Spuren, die er auf dem Raumhafen gelegt hatte, ausreichen würden. Er hatte damit gerechnet, daß die eine oder die andere Seite Kontakt mit ihm aufnehmen würde. Ganz offensichtlich war das nicht der Fall, auch wenn Egenverro, der weiterhin den Ära spielte, in diesem Punkt ganz anderer Meinung war.
Eine Erklärung für den Rassenkrieg, der täglich mit unterschiedlichen Meldungen der Medien dokumentiert wurde, hatte Fulgen in der kurzen Zeit nicht gefunden. Die TVund Holo-Stationen von Cormala waren in drei Lager gespalten.
Ein Arkoniden-Lager, ein Ära-Lager und ein neutrales Lager.
Das Kwiens-Hotel
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