1585 - Monsterfahrt
brüllte das Monster an. Es half sicherlich nichts, aber es half ihr in diesem Moment, nicht völlig durchzudrehen.
»Hau ab!«, schrie sie so laut sie konnte. »Hau endlich ab, verdammt. Hau ab!«
Wild schüttelte sie den Kopf, verschluckte sich und spürte die Tränenspuren auf ihren Wangen.
Roman bewegte sich nicht. Er schien unter einem Schock zu stehen, der ihn paralysiert hatte.
Das Monster schwebte jetzt über ihm. Das Maul stand weit offen, und einen Moment später packten die beiden Klauen zu.
Sie waren wie die Greifer von kleinen Baggern, die den Körper mit Leichtigkeit anhoben.
Katja sprang vor. Es war ihr alles egal. Schreien konnte sie nicht mehr, die Stimme war weg. Sie wollte mit den bloßen Händen gegen die Bestie angehen, auch in der Gewissheit, dass sie nicht die geringste Chance hatte.
Ihr Gehör funktionierte noch. Sie glaubte, im Hintergrund ein Geräusch zu hören, und das klang wie ein Schuss…
***
Es wurde keine Spazierfahrt für uns, auch wenn wir nur langsam fuhren, und das durch eine einsame Gegend, die nach einem Aussteiger-Urlaub roch. Das unheimliche Heulen hatten wir nicht vergessen. Zudem fuhren wir jetzt mit geöffneten Seitenfenstern, um den Laut sofort wieder hören zu können, falls er sich wiederholte.
Da wir nur langsam vorankamen, hielten sich die Geräusche des Fahrtwindes in Grenzen. Wir konnten uns unterhalten und mussten dabei nicht schreien.
Die Landschaft blieb immer gleich. Mal rollten wir durch einen dichten Wald, sodass wir das Gefühl bekamen, durch einen Tunnel zu fahren, dann öffnete sich die Landschaft wieder, und wir hatten einen freien Blick, wobei allerdings nichts zu sehen war, was uns auf die Spuren einer Bestie gebracht hätte.
Harry gab ein unwilliges Knurren von sich.
»So weit kann das nicht entfernt gewesen sein. Dann hätten wir es nicht so deutlich gehört.«
»Manchmal täuscht das Echo auch.«
»Okay, lassen wir uns überraschen.«
Er lenkte den BMW in das nächste Waldstück hinein. Die Helligkeit verschwand. Sie machte einem grünlichen, fleckigen Lichtwirrwarr Platz, das Tupfenmuster auf die Straße malte.
Ich spürte das Zunehmen der Spannung in meinem Innern. Dabei hatte sich nichts verändert. Ich spürte nur, dass etwas in mich eindrang und mir dieses ungute Gefühl vermittelte.
Harry merkte das.
»Kannst du was sehen, was mir nicht aufgefallen ist?«
»Nein.«
»Aha.«
Er fragte nicht weiter, und wir rollten die letzten Meter auf das Ende des Waldstückes zu.
Schreie!
Aber nicht die einer teuflischen Kreatur, denn so schrie nur eine Frau. Sie musste sich irgendwo vor uns aufhalten, denn aus dieser Richtung erreichten uns die Schreie.
Noch war es zu düster um uns herum, als dass wir etwas hätten sehen können, doch Sekunden später änderte sich das Bild wieder.
Freie Sicht.
Rechts und links breiteten sich die grünen Brachflächen aus.
Und vor uns sahen wir gleichzeitig das Hindernis.
Es war ein quer über dem Weg liegender Baum, der uns mit seinem Geäst einen Großteil der Sicht nahm. Dennoch waren die Lücken zwischen den Ästen groß genug, um zu erkennen, dass auf der anderen Seite ein Fahrzeug stand, in dessen Nähe sich etwas bewegte.
»Schneller, Harry!«
Mein Freund gab Gas.
Ich bereitete mich schon auf den Ausstieg vor.
Als Harry stoppte, rutschte schon der Gurt über meine Brust hinweg. Ich stieß die Tür mit einer heftigen Bewegung auf, stolperte aus dem BMW ins Freie und lief die wenigen Schritte auf den Baumstamm zu, wo das Zweigwerk nicht so dicht wuchs.
Ich stellte mich auf den Stamm, um besser sehen zu können.
Was sich vor mir abspielte, raubte mir fast den Verstand. Es war ungeheuerlich.
Ich sah einen Passat, zwei Menschen, die sich in tödlicher Gefahr befanden, doch das war im Augenblick zweitrangig.
Viel wichtiger war die riesige Horrorgestalt, gegen dessen gebückten breiten Rücken ich schaute.
Sie war ein ganzes Stück größer als ein Mensch, sie hatte einen breiten Kopf mit Hörnern, und auf dem nackten Rücken wuchs so etwas wie ein hellbraunes Fell.
Noch auf dem Stamm stehend zog ich meine Beretta. Für den Mann und die Frau gab es nur eine Chance.
Ich jagte eine der geweihten Silberkugeln in den Rücken der Bestie und hoffte, dass das Untier von seinen Opfern abgelenkt wurde.
Der Erfolg kam.
Die Bestie schrie und richtete sich auf. Die Arme drehten sich dabei zur Seite. Ich sah zum ersten Mal diese mächtigen Pranken mit den langen Krallen. Da wurde mir endgültig
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