159 - Der Dämon und die Besessene
gab Troy Skerrit zu. »Sie sind anders. Deshalb sind Sie ja etwas Besonderes, und wir dürfen Ihnen nichts antun. Wenn Palbuk es uns nicht ausdrücklich verboten hätte, würden Sie schon lange nicht mehr leben. Gleich in der ersten Nacht hätte einer von uns Sie umgebracht. Palbuk mag Sie. Er wird Sie zu seiner Begleiterin machen.«
»Warum ausgerechnet mich?«
»Weil Sie das Glück hatten, vom Hauch eines sterbenden Dämons gestreift worden zu sein.«
»Ragamm!« flüsterte das Mädchen betroffen.
»Er ist durch die Poren in Sie eingedrungen. Bald wird er anfangen zu wuchern, und Sie werden nicht mehr verwerflich finden, was wir hier tun. Kälte und Grausamkeit wird Ihr Herz ausfüllen, und sobald Sie an Palbuks Seite stehen, werden wir auch Ihnen gehorchen. Wir werden Ihr Werkzeug sein, und Sie werden von dieser Möglichkeit gewissenlos Gebrauch machen.«
Niemals wollte Shelley eine solche Entwicklung zulassen.
»Spüren Sie die Veränderung noch nicht?« fragte Troy Skerrit. »Merken Sie noch nicht, daß Sie nicht mehr dieselbe sind?«
Shelley schauderte. Es war ihr schon aufgefallen, daß sie nicht mehr wie früher war. Skerrit machte es ihr noch bewußter.
»Palbuk wartet, bis Sie reif für die Verbindung sind«, erklärte Skerrit. »Wir alle beneiden Sie um den Aufstieg, der Ihnen bevorsteht.«
»Palbuk wird mich nie an seiner Seite sehen!« stieß das Mädchen leidenschaftlich hervor. »Eher bringe ich mich um.«
»Das wird Palbuk zu verhindern wissen. Und sehr bald schon werden Sie ganz anders denken. Sie werden sich zu Palbuk hingezogen fühlen, werden es kaum erwarten können, bis er Sie zu sich holt.«
Es blitzte gefährlich in Shelleys Augen. »Vielleicht werde ich zu ihm gehen, wenn er mich ruft, aber nur, um ihn zu töten!«
»So reden Sie jetzt. Nach Ihrem Gesinnungswandel werden Sie zu dieser Aussage jedoch nicht mehr stehen. Es ist besser, Sie fügen sich in Ihr Schicksal, denn es gibt kein Entrinnen. Was Palbuk beschlossen hat, wird geschehen.«
Alles in Shelley lehnte sich gegen dieses Schicksal auf. Ihr Erlebnis mit Ragamm hatte ein schreckliches Nachspiel. Ich habe es befürchtet, dachte sie nervös. Es ist noch nicht ausgestanden. Ich muß es unterschwellig gespürt haben.
Sie hatte London verlassen, um Abstand zu gewinnen, war aber nur vom Regen in die Traufe gekommen.
Der Horror ging weiter.
Troy Skerrit hatte keine Geheimnisse mehr vor Shelley. Das erschütterte und empörte sie. Sie war nicht seinesgleichen, aber er zog sie ins Vertrauen, als stünde sie mit ihm auf derselben Stufe. Sie erfuhr von ihm, daß es im Haus des Bürgermeisters einen Palbuk-Tempel gab. »Dort beten wir zu unserem Herrn und Gebieter, loben und preisen ihn«, erzählte der Nachbar. »Ich darf mich vor der versammelten Gemeinde rühmen, zwei Eindringlinge getötet zu haben. Sie werden mich begleiten und bezeugen, was ich sage. Ich wusch das Blut nicht von meinen Händen, damit alle es sehen können.«
Shelley wollte sich weigern, mit Skerrit zu gehen, doch diese geheimnisvolle, beängstigende Kraft in ihr machte sich zum erstenmal stärker bemerkbar und ließ ein Nein nicht zu. Der Todeshauch des Dämons bekundete zum erstenmal, was er wollte: Er wollte in den Tempel, um Palbuk nahe zu sein.
Bestürzt stellte Shelley fest, daß sie zu schwach war, um sich widersetzen zu können.
***
Der Teufel narrte und verhöhnte Mr. Silver.
Der Ex-Dämon versuchte den Feind zu stellen und zum Kampf zu zwingen, doch Palbuk rückte immer wieder aus, legte magische Fußangeln und wirbelte mit ungeheurer Kraft die Einrichtung durcheinander. Mr. Silver setzte ein, was er zu bieten hatte. Es gelang ihm nicht, den Gegner unter Kontrolle zu bekommen. Palbuk war unberechenbar. Selbst einen so erfahrenen Kämpfer wie Mr. Silver konnte er immer wieder überraschen. Wütend schuf der Ex-Dämon Barrieren, die Palbuk weder durchbrechen noch überwinden konnte. Auf diese Weise drängte er den Teufel zurück.
Bis Palbuk nur noch ein Raum im Obergeschoß blieb.
Es war Shelley Robinsons Schlafzimmer.
Darin hielt sich Palbuk nun auf.
Wenn es Mr. Silver gelang, ihn auch noch aus diesem Raum zu verbannen, konnte er nie mehr in Shelleys Haus zurückkehren. Das wäre ein Erfolg gewesen, der Mr. Silver ein gewisses Maß an Genugtuung verschafft hätte. Wesentlich lieber wäre es ihm natürlich gewesen, den Höllenfeind zur Strecke zu bringen. Ein stummer Befehl genügte, Shavenaar wurde sichtbar, und Mr. Silver zog das
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