1600 - Willkommen im Hades
alles aufgeschrieben hatten.
Trotzdem kamen sie nicht damit zurecht, und auch ich hätte meine Probleme gehabt. So ließ ich mich weitertransportieren und hing meinen Gedanken nach.
Jeder Mensch wünscht sich etwas zu Weihnachten. Da machte auch ich keine Ausnahme. Mein Wunsch war nicht sehr hoch gegriffen. Ich wünschte mir einfach Ruhe und Frieden. Keinen Ärger mit irgendwelchen Dämonen, Ruhe vor dem Teufel oder vor wem auch immer. Mal eine Woche nichts von der schwarzmagischen Seite hören.
Das wäre ideal gewesen.
Ob es klappte, stand in den Sternen. So recht konnte ich nicht daran glauben.
Ich hatte mir vorgenommen, nur eine Buchhandlung zu besuchen. Es war ein ganzes Bücherhaus, in dem man alles fand, was das Herz einer Leseratte höher schlagen ließ.
Welche Bücher ich für wen besorgen würde, wusste ich noch nicht. Ich wollte mir alles ansehen und dann spontan entscheiden.
Die beiden Großmütter stiegen mit mir zusammen aus. Schlauer waren sie nicht geworden, obwohl sie immer wieder auf den Wunschzettel geschaut hatten.
Bevor wir uns trennten, wünschte ich ihnen noch das richtige Händchen für den Kauf, und wenig später hatte mich der Trubel verschlungen wie ein sich bewegendes gewaltiges Labyrinth, aus dem es so leicht keinen Ausweg gab.
Man konnte dem Fest einfach nicht entrinnen. Obwohl viele meiner Landsleute auf das Festland fuhren, zumeist nach Deutschland, um dort die Weihnachtsmärkte zu besuchen, gab es auch in London genügend EU-Bewohner, die der Stadt an der Themse einen Besuch abstatteten.
Ebenso verhielt es sich auch mit den New-York-Besuchern, die aus Europa gern über den Großen Teich düsten.
Mir hätte man Geld dazu geben können, und ich hätte es nicht getan.
Die Stadt an der Themse reichte mir völlig, und in der Masse Mensch fühlte ich mich unfrei.
Auf der einen Seite musste man froh sein, wenn man die Menschen sah, die in die Buchhandlungen strömten, ein Zeichen dafür, dass immer noch gelesen wurde.
Ich wollte auch hineingehen, musste zwei künstliche und bunt illuminierte Weihnachtsbäume passieren, kam aber nicht mehr dazu, denn der moderne Störenfried - sprich Handy - meldete sich.
Direkt neben dem rechten der beiden Bäume blieb ich stehen, holte das flache Ding hervor, klappte es auf und warf einen Blick auf das Display.
Da zeichnete sich keine Nummer ab.
Ich meldete mich.
Zuerst war nur ein fernes Rauschen zu hören. Die Geräusche stammten nicht von den Menschen, die in die Buchhandlung gingen, es drang direkt an mein rechtes Ohr.
Ich wollte etwas sagen und spielte auch mit dem Gedanken, die Verbindung zu unterbrechen, da hörte ich die Männerstimme, die schwach meinen Namen rief.
»John Sinclair…«
Ich stellte die Gegenfrage. »Was wollen Sie?«
»Du erkennst mich nicht?«
»Genau. Es gibt zu viele Nebengeräusche.«
»Ach, deshalb. Ich bin Raniel!«
Plötzlich war mir, als hätte mich jemand mit einer Eisenstange in den Nacken geschlagen. Auf einmal hatte mich der Job zurück.
Ramel rief bestimmt nicht an, um mir ruhige und besinnliche Tage zu wünschen. Wenn er mit mir telefonierte, hatte das einen anderen Grund, und den würde ich bald erfahren. Ob er mir allerdings Freude machen würde, stand in den Sternen.
»Was hast du für ein Problem?«, fragte ich.
Er lachte. »Das ist falsch gefragt.«
»Dann kläre mich auf.«
»Der Hades soll geöffnet werden!«
Jetzt hatte ich einen Satz gehört, aber ich wusste damit nichts anzufangen. Deshalb fragte ich: »Hades, hast du gesagt?«
»Richtig.«
»Ist das nicht das griechische Wort für Unterwelt? Man könnte auch Hölle sagen.«
»Ich widerspreche nicht.«
»Und die Unterwelt oder der Hades soll geöffnet werden?«
»Ja.«
»Wann?«
»Ich befürchte, dass es schon passiert ist, John. Mehr kann ich dir noch nicht sagen. Dieser Anruf soll auch so etwas wie eine Vorwarnung sein, wenn du verstehst.«
»Nicht genau. Aber du wirst dir ja nichts aus den Fingern gesaugt haben, nehme ich an.«
»So ist es.«
»Und dass das Tor zur Unterwelt offen ist, stört dich als den Gerechten. Es geht bei dir also auch um das Prinzip, denke ich mir.«
»Ja.«
»Darf ich fragen, was das bedeuten könnte oder schon bedeutet?«
»Das große Grauen. Die wilde Schlacht. Gut gegen Böse. So kann man es sehen.«
»Das hört sich sehr apokalyptisch an.«
»Ist es auch.«
»Und wo öffnet sich der Hades?«
»Nicht in deiner Nähe. Irgendwo in den südlichen Alpen. Wenn ich mehr weiß, gebe ich
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