1605 - Blutnacht - Liebesnacht
Vampir war das nicht möglich. Sie sehnte sich nach der Nacht. Es sollte eine Blut-und eine Liebesnacht werden, das wusste sie, denn genau das hatte er ihr versprochen.
Wieder schaute sie die Treppe hoch und beobachtete den Umriss der Tür. Da sie dicht vor der ersten Stufe stand, sah sie den Ausschnitt genauer - und stieß einen Kiekser der Freude aus. Es war nicht mehr so hell wie sonst. Das konnte nur bedeuten, dass die Sonne gesunken war und die Dämmerung hereinbrach. Es war zwar noch nicht finster, doch es war immerhin ein Anfang, und die Chance, an frisches Menschenblut zu kommen, hatte sich bei ihr vergrößert.
Plötzlich konnte sie wieder lächeln. Die Bewegung ihrer Lippen wurde sogar noch breiter, als ihr scharfes Gehör ein Geräusch von der Tür her und vom Ende der Treppe vernahm.
Jemand kam.
Und das konnte nur ihr Liebhaber sein. Zitternd wartete sie ab. Es drang kein normaler Atem aus ihrer Kehle, sondern Laute, die sich ähnlich anhörten.
Endlich öffnete sich die Tür. Nicht ruckartig oder schnell. Sogar recht langsam. Und es gab auch nichts, dass ein Knarren unterdrückt hätte.
Es war kein helles Licht, das das Viereck ausfüllte. Mehr eine dunkelgraue Dämmerung, die Anne nichts ausmachte. Zudem erschien in diesem Ausschnitt eine hoch gewachsene dunkle Gestalt, bei der dieses blasse Gesicht mit der hart gespannten Haut auffiel.
Darius war da!
Endlich!
Anne Höller stieß abermals einen leisen Kiekser aus. Nicht nur Menschen verspürten eine starke Aufregung, das war auch bei Vampiren nicht anders. Sie zitterte. Sie hielt die Hände zu Fäusten geballt und wartete darauf, dass Darius die Stufen herab auf sie zukommen würde.
Sie wollte von ihm in die Arme geschlossen werden.
Er dachte nicht daran. Er blieb auf der obersten Stufe stehen und hielt den Kopf leicht gesenkt, um auf Anne hinabschauen zu können. Die Arme hielt er lässig vor seinem Körper verschränkt. Er wirkte wie jemand, der einen bestimmten Anblick genoss und ihn erst mal in sich aufsaugen wollte.
Er oben, seine Braut unten. Ein besseres Sinnbild für die Situation konnte es nicht geben.
Es geschah noch immer nichts. Bis er die Arme von seiner Brust löste.
Erneut sprach er kein Wort. Aber er streckte seine rechte Hand aus und winkte.
Das war das Zeichen, auf das Anne lange gewartet hatte. Kaum sah sie die Bewegung der Finger, löste sich ein seufzender Laut von ihren Lippen.
So lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet. Und jetzt musste sie sich nur noch einen Ruck geben. Sie betrat die erste Stufe. Anne wäre am liebsten die Treppe hoch gestürmt, und sie musste sich schon hart zusammenreißen, um dies nicht zu tun. So ging sie normal die alten Steinstufen hoch. Sie schwankte dabei leicht.
Ein Geländer, an dem sie sich hätte festhalten können, gab es nicht. Sie schaffte auch die letzten Stufen, stolperte dann, weil sie nur Darius hatte anschauen können, fiel nach vorn - und landete in den Armen des hoch gewachsenen Blutsaugers. Er hielt sie fest.
Und es war für Anne wunderbar, in seinen Armen zu liegen. Danach hatte sie sich gesehnt. Endlich war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen, und nun konnte nichts mehr schiefgehen.
Er fragte mit seidenweicher Stimme: »Wie fühlst du dich?«
»Gut jetzt!«, flüsterte sie. »Aber ich brauche etwas.«
»Blut?«
»Ja…«
Er lachte. Er amüsierte sich, und als er verstummte, sagte er: »Du musst dir keine Gedanken machen, denn du wirst dein Blut bekommen. Ich habe alles vorbereitet. Jemand wartet schon auf dich, und ich werde dir dann meine neue Braut überlassen. Sie ist ebenso verrückt nach mir, wie du es bist. Wir beide können uns an ihr laben.«
Die Worte des Vampirs hatten sie erregt. »Wann?«, keuchte sie. »Wann ist es so weit?«
»Geduld, meine Teure, nur Geduld. Du wirst noch in dieser Nacht deine Nahrung bekommen.«
»Und wo wird das sein?«
»Lass dich überraschen.«
»Ja, gern, ich vertraue dir. Aber willst du mir nicht sagen, wo wir uns befinden?«
»In einer alten Ruine. Das Geschlecht, das hier einmal gelebt hat, ist längst ausgestorben. So denken die Menschen, aber sie haben sich geirrt. Es gibt noch einen, der übrig geblieben ist.«
»Du?«
»Wer sonst?« Er lachte. Dann legte er seinen Arm um ihre Schultern.
»Komm mit.«
Sie zögerte noch. »Ist es denn schon finster?«
»Nein, noch nicht ganz, aber es ist dabei, dunkel zu werden. Du wirst dich wohl fühlen.«
»Und wohin gehen wir?«
»Du kennst den Ort. Es ist der Platz,
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