1606 - Die Zeit-Bande
als wollte sie ihm ein schlechtes Gewissen einimpfen.
Johnny wusste noch immer nicht, wie er sieh verhalten sollte. Keiner konnte ihm in dieser Lage einen Ratschlag geben. Seine Eltern konnte er auch nicht wecken. Er traute sich nicht, sein Handy hervorzuholen, um sie zu alarmieren.
»Na, hast du gewonnen?«
Johnny zuckte zusammen, denn er hatte nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden. Aber er hatte die Häme in der Stimme nicht überhört. Diese Mörderin schien keine Angst vor dem Ende zu haben.
Noch jetzt verhöhnte sie ihn.
»Willst du sterben?«, keuchte Johnny.
»Bin ich denn nicht schon tot?«
»Ja - nein - ich weiß es nicht.«
»Dan kannst du es doch versuchen«, hetzte sie weiter. »Los, stich endlich zu!«
Johnny schlucke hart. Die Haut an seinem Hals zuckte. Er hatte sich noch immer nicht entscheiden können. Wenn er diese Unperson nicht tötete, musste er damit rechnen, dass sie zurückkehrte, um ihn zu killen.
Wer seine Eltern umgebracht hatte, der scheute auch nicht vor weiteren Morden zurück.
Dann geschah etwas, was wohl nur Johnny überraschte, denn Suri schien es egal zu sein. Sie drehte nicht mal den Kopf, als etwas Helles über die Schneefläche hinweghuschte und dabei einen gelblichen Schein verbreitete, der wie ein Strahl aussah, der von einem übergroßen Scheinwerfer stammte.
Johnny spürte etwas Fremdes in sich eindringen. Es waren irgendwelche Vibrationen, und er sah, dass auch Suri Avila von diesem anderen Licht erfasst worden war.
Begreifen konnte er nichts, denn in den folgenden Sekunden verdichtete sich das Licht und einen Herzschlag später fing der Körper der Mörderin an zu zittern. Es verging nicht mal eine Sekunde, da hatte er sich aufgelöst.
Das Licht war verschwunden, Johnny blickte auf die leere Eisfläche und verspürte den Wunsch, in die Knie zu sinken und an nichts mehr zu denken.
Was hier geschehen war, dafür fand er keine Erklärung, obwohl er sich noch immer als Mittelpunkt fühlte. Hier hatten Kräfte eingegriffen oder waren schon zuvor vorhanden gewesen, die sein Begriffsvermögen überstiegen.
Es verstrich eine gewisse Zeit, bis es ihm möglich war, sich wieder zu bewegen. Dabei hatte er das Gefühl, sich aus einer eisigen Erstarrung zu lösen.
Er drehte sich auf der Stelle. Sein Blick streifte durch den Vorgarten, ohne jedoch etwas Genaues zu sehen. Was er hier erlebt hatte, war unglaublich gewesen, und es hatte sich wieder mal bewiesen, dass er ein echter Conolly war und eine gewisse Bürde zu tragen hatte, auch wenn es seine Mutter nicht wahrhaben wollte.
Johnny wollte ins Haus, er musste ins Bett, aber er traute sich nicht, den Weg sofort einzuschlagen. Wie ein Schlafwandler bewegte er sich durch den verschneiten Garten, und erst nach einer Weile schwenkte er ab und ging auf die Haustür zu.
Vor der Tür hielt er an. Erst jetzt, als er den Schlüssel hervorholen wollte, fiel ihm auf, dass er noch immer das Schwert in der rechten Hand hielt.
Was tun damit?
Er wollte es nicht loswerden, denn diese Waffe war ein Beweis dafür, was er erlebt hatte. Und das mussten nicht nur seine Eltern erfahren.
Viel wichtiger war es, John Sinclair zu alarmieren, denn wenn jemand den Fall lösen konnte, dann war es der Geisterjäger, zugleich auch sein Patenonkel.
Nach diesem Gedanken holte Johnny den Schlüssel hervor und öffnete die Haustür.
Es war zwei Stunden nach Mitternacht geworden. Seine Eltern schliefen.
Im Haus war es ruhig.
Johnny wollte niemanden wecken. Er schlich zu seinem Zimmer, zu dem auch ein Bad gehörte, das nur er benutzte. Lautlos öffnete er die Tür und schaltete nicht das helle Licht ein, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Der Schein einer Wandleuchte fiel auf sein Bett.
Johnny bewegte sich wie ein Schlafwandler, als er seine Schuhe und auch die dicke Winterjacke auszog, die er an einen Haken hängte.
Dann ging er zum Fenster. Sein Blick fiel in den dunklen Garten, in dem sich nichts bewegte. Es gab keine Suri Avila mehr, zumindest nicht in dieser Umgebung.
Johnny stellte das Schwert so hin, dass es das Fußende des Betts berührte und zugleich Halt an der Wand fand. Danach ging er ins Bad und schaute sich im Spiegel an.
Die Haut in seinem Gesicht zuckte nicht, doch in den Augen stand noch immer ein Ausdruck der Angst. Was er hinter sich hatte, war nur schwer zu verkraften. Er war soeben mit dem Leben davongekommen, und fast wurde ihm übel, wenn er daran dachte.
Er wusch seine Hände, auch das Gesicht,
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