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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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es eine Freude, sie lachen zu sehen; das tat sie in diesen Tagen nur noch selten.
    »Ro-bu-ta Fu-ra-da.« Sie übte es und schaute zu mir herüber. »Ich nehme an, dass er seinen Namen inzwischen geändert hat.«
    »Da ist auch noch die Beschreibung.«
    Gabriel schnaufte verächtlich: »Also, ich bekomme darauf nur zu hören: ›Ihr gaijin seht alle gleich aus.‹«
    Dariole lächelte erneut, und ich bemerkte, dass Gabriel absichtlich so redete, um sie aufzuheitern. Ich glaube, er fühlt sich zu dem Mannweib hingezogen.
    In Nagasaki gab es genug gaijin, dass er und ich – und sie – durch die Spielhäuser ziehen konnten, ohne aufzufallen. Des Weiteren war Sake für mich ein derart schwaches Getränk, dass mir daraus ein Vorteil erwuchs, wenn es um die mir unvertrauten Glücksspiele ging. Fast hoffte ich, dass dieser bizarre Sommer niemals aufhören würde.
    Die kleinste Spur von Robert Fludd und unser Waffenstillstand ist vorbei.
    Monsieur Kenshin war ein Samurai von vielleicht fünfzig Jahren und ein Stammgast unserer Herberge. Er und ich hatten uns angewöhnt auf der Veranda zum Hof miteinander zu spielen, während ich mit seiner Hilfe mein Nihonesisch verbesserte.
    Da es spät am Nachmittag und somit deutlich kühler geworden war, flegelte sich Dariole auf der Tatami vor der geöffneten Haustür. Sie drehte sich hierhin und dorthin, saß mal so, mal so und gab vor, unser Spiel zu beobachten – ein Brettspiel, das Monsieur Kenshin ›Go‹ nannte.
    »Wollt Ihr, dass wir wieder ein wenig üben?«, bot Kenshin Mademoiselle Dariole an.
    Sie besaß wenigstens genug Anstand zu erröten, obwohl sie offensichtlich so aufgeregt war wie ein Welpe. »Ich möchte Euer Spiel nicht unterbrechen, Messire Kenshin …«
    Die Samurai pflegten mit hölzernen Schwertern zu üben, die von der Form her ihren Kattanklingen glichen. Es war unvermeidlich gewesen, dass Kenshin irgendwann begann, Dariole in ihrem Gebrauch zu unterweisen. Und sie war mit Begeisterung dabei. Sie hatte sich sogar ein hölzernes, europäisches Schwert gebastelt mit einer simplen Parierstange, wie sie vor hundert Jahren in Mode gewesen war. Damit demonstrierte sie Kenshin bisweilen den Umgang mit dem Rapier.
    Mit der Kattanklinge befand sie sich in jenem Stadium, in dem der Wunsch die Technik bei weitem übersteigt, und Kenshin warf ihren Arsch regelmäßig in den Staub des Hofes. Das amüsierte mich nicht nur. Es erfüllte mich auch mit einer gewissen Dankbarkeit, dass sie einen Zeitvertreib gefunden hatte, der jede wache Minute beanspruchte, ihr offensichtlich Freude bereitete und – dachte ich – der ihre Gedanken von den Wunden ablenkte, die Fludd ihr geschlagen hatte.
    »Wir können das Spiel ja später beenden«, bot ich Kenshin an.
    Ich studierte das Brett, auf dem er gerade ein neues Gebiet eröffnet hatte. Es war offensichtlich, dass ich einen zusätzlichen Zug brauchte, um mich diesem neuen Gefecht stellen zu können – und natürlich hatte ich keinen. Mit meinem nächsten Zug würde ich das Gebiet verteidigen müssen, in dem wir bereits kämpften.
    »Jedes Spiel ist eine Metapher.« Ich seufzte und verkniff es mir, Dariole anzulächeln, als sie sich plötzlich hinkniete. »Messire Kenshin, selbst wenn Ihr mir neun Steine Vorsprung geben würdet, könnte ich diesen Krieg nicht gewinnen. Warum solltet Ihr sie also nicht trainieren?«
    Kenshin lächelte ebenfalls. »Hai!«
    Aufgrund der Hitze behielt Dariole die nihonesische Kleidung an und ging entweder barfuß oder in den waraji genannten Strohsandalen. In kosode und kabakama erinnerte sie mich an die Bauernkinder daheim, die nur mit ihren Hemden herumliefen.
    Wie Bauernkinder so mochte auch Dariole ihre Kleider nicht aufgeben, wenn sie sie einmal hatte. Es amüsierte mich immer wieder, Mama-sans Wäscherin und andere Hausdiener dabei zu beobachten, wie sie auf eine Gelegenheit lauerten, Dariole ihre Kleider wenigstens für kurze Zeit zu stibitzen, und alle zwei, drei Tage gelang ihnen das auch. Wenn die junge Fechterin dann wutschäumend auf die Suche nach ihrem › Glücks ‹-kosode ging , war für gewöhnlich alles schon vorbei. Ich wage zu behaupten, dass ich sie noch nie so sauber gesehen hatte.
    Das, so nahm ich an, bewegte auch mich dazu, mich von den flohverseuchten Wamsen zu trennen, die ich mitgebracht hatte, und stattdessen einen nihonesischen Kimono über einer hakama- Hose zu tragen. Obgleich ich die formlosen Kleidungsstücke bisweilen ein wenig peinlich fand, besonders wenn ich

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