1610 03 - Soehne der Zeit
Ich musste mir ein Lächeln verkneifen.
»So einfach ist das nun auch wieder nicht.«
Der Sommerregen schlug immer stärker gegen das Fenster, und einzelne Tropfen fielen zischend durch den Kamin ins Herdfeuer.
»Ich bin zu folgender Erkenntnis gekommen: Es reicht nicht länger, wenn ich sage, dass ich diesen Leuten nicht traue, aber nichts dagegen tue.«
Gabriel erhob sich schweigend und beugte sich über den Eisentopf, wo das Essen fast fertig war. Er nahm ihn aus den zischenden Regentropfen. Ich sah, wie er über die Schulter zu Dariole blickte. Sie machte eine leichte Mundbewegung, auf die sein Gesichtsausdruck antwortete.
»Allmählich fühle ich mich wie ein Mann zwischen Mutter und Ehefrau!«, bemerkte ich ein wenig schroff. »Wenn ihr etwas zu sagen habt, dann sagt es auch!«
Dariole legte unschuldig die Stirn in Falten. »Und wer von uns ist Eure Mutter?«
Ich unterdrückte das Verlangen, ihr den Hintern zu versohlen, und nickte stattdessen höflich in die Richtung von Gabriel Santon. Er blickte angemessen beleidigt drein und setzte sich wieder.
»Ich bin nicht deine Mama!«, knurrte er. »Und wie wäre es, wenn du uns einfach sagst, was los ist?«
Ich drehte mich mit dem Rücken zum Herd, sodass ich auf beide hinabblicken konnte.
»Ich habe noch immer Agenten«, sagte ich, »oder zumindest gibt es noch Männer, die ich in der Vergangenheit beschäftigt habe. Es gibt keinen Grund für mich, warum ich in den nächsten Jahren in England oder Frankreich leben sollte. Da sind noch Italien und Deutschland, wo man auch ein Spionagenetz aufbauen kann.« Ich zuckte mit den Schultern. »Und sollte es ganz schlimm kommen, bleibt immer noch das türkische Mittelmeer. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Sollte ich es wollen, könnte ich jederzeit ein genauso großes Netzwerk aufbauen, wie ich es unter Messire de Sully gehabt habe.«
Mademoiselle Dariole und Gabriel blickten einander an.
»Und was genau hat das mit Giordano Bruno zu tun?«, verlangte Dariole zu wissen.
Ich ging ein, zwei Schritt und drehte mich dann wieder zu ihnen um.
»Ich habe den Eindruck, dass es klug wäre … Wächter zu haben. Qius custodiet ipsos custodes ?« Auf Darioles verwirrten Blick hin übersetzte ich: »›Wer bewacht die Wachen?‹ Ob ich nun glaube oder nicht, dass Caterina Recht mit dem hatte, was sie für unsere Zukunft errechnet hat, Saburo hatte genug Vertrauen darin, um dafür zu sterben. Wie auch sie selbst. Fludd …« Ich deutete zur Decke hinauf, über der sich Fludds Zimmer befand. »Er hält seine mathematischen Schlüsse für wahr; ansonsten würde er sich nicht mit einer lebenslangen Gefangenschaft abfinden in der Hoffnung, einen Kometen abzuwehren, der die Welt zu vernichten droht.«
»Und?«, hakte Dariole nach.
»Und … Mord ist eine stumpfe Waffe.«
Gabriel hob die Augenbrauen. » Was?«
»Eine stumpfe Waffe und das letzte Mittel.« Ich wünschte, ich hätte mich hinsetzen können. Unter ihrem Zwillingsblick wurde ich immer nervöser. »Die Kunst des Spions besteht darin, Informationen zu sammeln und sie dazu zu benutzen, andere zu manipulieren. Schaut euch doch nur meinen Herrn, den Herzog, an. Mord sollte das letzte Mittel sein.«
Dariole zuckte mit den Schultern. Gabriels Nicken war nachdenklich, aber zustimmend.
»Ich werde es euch so einfach wie möglich erklären«, sagte ich und stand auf dem eingestreuten Boden vor der Bank. »Sir Robert Cecil hat mich um etwas gebeten; das wisst ihr. Ich habe Robert Fludd an seine Mathematik gesetzt, damit er herausfindet, ob sich seine Vorhersagen in Bezug auf Prinz Heinrich geändert haben – und in der Zwischenzeit benutze ich Cecils Agenten, um auf ganz profanem Wege alles über Heinrich herauszufinden, was ich kann. Ich habe kein Verlangen, den Jungen zu töten, jedenfalls nicht im Augenblick.«
»Ach, wirklich?«, knurrte Gabriel.
»Ja, wirklich. Es werden sich nämlich auch später noch Gelegenheiten ergeben.«
Ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um sie ruhig zu halten.
»Wenn Robert Fludd weitermacht, wird er viele Vorhersagen treffen. Wenn ein Mann Mord vermeiden will, wo immer möglich, gleichzeitig aber auch den schlimmsten aller Kriege und andere Katastrophen … Nun, dann könnte man Agenten benutzen, um alles im Auge zu behalten, und nur dort mit einem Minimum an Gewalt eingreifen, wo es unbedingt nötig ist. Und sollte man zu dem Schluss kommen, dass es tatsächlich gar nicht mehr anders geht, kann man auch töten. In
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