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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Duellen und Kriegen sterben Menschen aus weit geringfügigeren Anlässen …«
    In dem darauffolgenden Schweigen war nur der Regen hinter der offenen Küchentür zu hören.
    »Aber wie kann ich beurteilen, welche Interessen in fünfhundert Jahren den Vorrang haben werden? Ich weiß nun wirklich nicht, ob die Welt im Feuer eines Kometen untergehen wird. Tatsächlich kann ich es mir noch nicht einmal vorstellen. Aber ich glaube, dass es in unserem besten Interesse ist, uns von den eingeschränkten Interessen Englands und Frankreichs zu lösen und darüber nachzudenken, wie wir diesen großen, europäischen Krieg am besten vermeiden können.«
    »Ihr«, sagte Dariole. Sie stand auf, hakte den Daumen ins Schwertgehänge, hob das Kinn und blickte zu mir hinauf. »Ihr redet über Euch, nicht wahr?«
    Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Im Laufe der Zeit würden neue Männer kommen, sorgfältig ausgewählt. Solche, denen man das Wissen um Fludds Vorhersagen anvertrauen könnte …«
    »Aber Ihr …!«
    Gabriel hob den Blick. »Du bist besser im Befehle befolgen als im Befehle geben, Raoul.«
    Ich versteifte mich. Da er saß, fiel es mir nicht schwer, auf ihn hinabzublicken. Er sah mir unverwandt in die Augen. Gabriel Santon hatte keine Angst mehr vor seinem Herrn.
    »Ja«, gab ich zu, »früher war das so.«
    Gabriel lächelte mich schief an.
    Ich fuhr fort: »Aber denkt darüber nach, wo ich jetzt stehe. Wenn Fludd einmal in seinem Leben die Wahrheit gesagt hat, dann als er vor Lord Cecil stand: Ein Mann kann kein Wissen verdrängen, das er einmal weiß.«
    Ich machte eine Geste. Gabriel rutschte zur Seite, und ich setzte mich neben ihn. Ich musste einfach sitzen. Ich beugte mich nach vorn und verschränkte die Hände wieder, damit niemand sehen konnte, wie sie zitterten.
    »Wenn ich etwas voraussehe und es nicht verhindere, bin ich dann nicht verantwortlich dafür?«
    Dariole schwieg. Sie beobachtete mich nur aufmerksam, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Gabriel protestierte: »Du kannst nicht alles tun.«
    »Das stimmt wohl. Ich bin kein ehrgeiziger Mann.« Ich lächelte ein wenig schief. »Und es stimmt wohl auch, dass ich als Diener besser bin denn als Herr. Und wer weiß schon, wie lange diese Unternehmung dauern wird? Oder ob sie überhaupt in irgendeinem Punkt Erfolg haben wird? Aber wenn ich es nicht versuche, wer soll es sonst machen?«
    Der warme Geruch des gekochten Fleisches mischte sich mit dem der Asche, die der Regen den Kamin hinunterspülte. In der Stille zischte die Glut. Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
    »In den letzten Tagen bin ich zu einer Entscheidung gekommen … zumindest was Prinz Heinrich betrifft. Was danach kommt …« Ich zuckte mit den Schultern.
    Dariole beobachtete mich im trüben Licht der Küche. »Und wie wollt Ihr das anstellen? Wo wollt Ihr beginnen? Und wie wollt Ihr dafür bezahlen?«
    Furcht, Verzweiflung und Anspannung explodierten förmlich in mir. Ich warf die Hände in die Höhe und lehnte mich auf der Bank zurück, bis mir die Tischkante in den Rücken drückte.
    »Mademoiselle, ich habe keine Ahnung! Bis jetzt weiß ich nur, dass es getan werden muss. Wer weiß? Vielleicht wird James einen Mann zu Robert Cecils Nachfolger ernennen, der diesem in nichts nachsteht … oder Viscount Carr verwandelt sich vielleicht doch noch in einen Staatsmann! Ist das der Fall, könnten wir die Angelegenheit auf sich beruhen lassen und unsere eigenen Leben weiterleben!«
    Gabriel stieß ein tiefes Lachen aus, was ich als Antwort auf meine Verzweiflung betrachtete. Ich funkelte ihn an.
    Mademoiselle Dariole beugte sich vor und über den Tisch, um sich den Weinkrug und einen Becher zu greifen.
    Während sie sich einschenkte, sagte sie: »Das habt Ihr also gemeint, als Ihr davon gesprochen habt, Robert Fludd zu ›benutzen‹. Nun, vielleicht müssen wir jetzt noch gar nicht darüber nachdenken. Nicht bevor Prinz Heinrich …«
    Sie hielt inne und schaute mich an.
    »Und mit dem allen«, fuhr sie fort, »Heinrich, Fludd, die Wächter, von denen Ihr gesprochen habt … Da wollt Ihr weggehen? Für einen Monat? Und wohin?«
    Ich griff mir ebenfalls einen Becher, schenkte ein und trank, um mir Mut zu machen. »Ich werde nach Frankreich gehen, um mit Messire de Sully zu sprechen.«
    Dariole explodierte. »Ihr gehört in ein Verrücktenhaus!«
    »›Irrenhaus‹«, korrigierte ich sie.
    »Das ist mir egal!«
    »Sie hat Recht.« Gabriel Santon seufzte. »Ich sollte wohl besser packen

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