1610 03 - Soehne der Zeit
nichts verändert.«
»Ihr habt mit Fludd gesprochen?« Ich vermochte nicht zu sagen, was größer war: Entsetzen oder Unglauben.
»Er war der Einzige, der meine Fragen beantworten konnte. Messire, falls Ihr noch immer planen solltet, mit dem Mann zu arbeiten, so muss ich gestehen, dass er noch immer lebt und dort ist …«
Schmerz durchflutete mich, als ich mein Gewicht auf dem Bett verlagerte und mich anschickte, die Beine hinauszuschwingen, um mich auf die Kante zu setzen; aber er hatte im Vergleich zu den vergangenen Tagen schon deutlich nachgelassen. Dariole trat rasch vor, die Hände ausgestreckt, und als ich stand, stützte sie mich.
»Hat denn jeder außer mir Suor Caterina befragt? Und? Welche Fragen habt Ihr ihr gestellt?«
»Ich habe sie gefragt, wer in den nächsten zwanzig, dreißig Jahren der mächtigste Mann in Frankreich sein wird.«
Ich konnte sie nur anstarren.
»Und warum habt Ihr sie das gefragt?«, brachte ich schließlich hervor.
Sie zuckte mit den Schultern und schaute auf ihre Zehen hinunter. »Ich weiß es nicht. Ich … Damals habe ich einfach gedacht, Messire de Sully könne in Schwierigkeiten stecken. Ich dachte, das wäre eine Information, die Ihr als wichtig erachten würdet. Oder … Ich weiß es nicht.«
Dariole hob den Kopf und blickte mich an.
»Ich nehme an, ich wollte Euch nur einen Gefallen tun, Messire.«
»Das war vor zwei Jahren, als Ihr gerade durch meine Schuld vergewaltigt worden seid.« Ich glaube, in diesem Augenblick habe ich laut gestöhnt. »Mademoiselle …«
»Ich wusste nicht warum.« Wieder zuckte sie mit den Schultern. Sie hielt mich noch immer fest. »Damals habe ich nicht gewusst, was es bedeutete, einfach etwas für … für jemanden zu tun.«
»Gütiger Gott, aber Ihr seid jung!«
»Jetzt weiß ich das.« Sie schaute verletzt drein. »Caterina hat gesagt, dieser Mann würde Ludwig und Frankreich regieren. Ich habe versucht, Euch einen Schutzherrn zu finden, Messire!«
Mademoiselle Dariole hatte mich schon öfter sprachlos gemacht, doch selten so gründlich wie in diesem Augenblick.
Sie fügte hinzu: »Zu guter Letzt wird er die Königin ins Exil schicken. Ich glaube, das wird er tun, weil Ihr ihm sagt, dass sie ihren Gemahl ermordet hat. Und schaut, Messire: Dafür muss er Euch als Zeugen am Leben erhalten. Er kann Euch beschützen. Weil er Euch braucht. Er weiß das nur noch nicht.«
Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten – womöglich würde dieser unbekannte Mann es viel einfacher finden, mich an Maria di Medici zu verkaufen – gab es noch andere Gefahren.
Als ich in Darioles Gesicht sah, wurde mir klar, dass ich im Nachtgewand (zumal dem voluminösen eines Bauern) nicht gerade den besten Eindruck machen musste.
»Geht hinaus, während ich mich anziehe«, verlangte ich. »Ich werde … darüber nachdenken. Aber, Mademoiselle, eines will ich Euch jetzt schon sagen: Ich halte das für Wahnsinn!«
Die Gefahr wurde mir immer bewusster, je mehr wir uns Paris näherten. So sehr ich meine Verhaftung vermeiden wollte, wollte ich die ihre noch viel weniger.
Ich rasierte mich nicht mehr, obwohl meine Haut die Klinge mittlerweile wieder vertragen hätte. Ich ließ mir den dichten Bart eines Dieners stehen. Dariole kaufte ein schlichtes Wams und eine Pluderhose in Dienerblau, und ich fügte eine Augenklappe für mein verletztes Auge hinzu. Meine Größe einmal außer Acht gelassen, bestand tatsächlich die Möglichkeit, dass niemand mich sofort als Valentin Raoul Rochefort erkennen würde.
Die lange Reise über den Fluss verschaffte mir Gelegenheit, ein gewisses Maß an Kraft und Geschmeidigkeit zurückzuerlangen. Die letzten Tage auf der Barke übte ich Fechten an Deck. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich durchaus jemanden töten könnte, sollte jemand gegen mich kämpfen wollen; vermutlich würde derjenige aber ohnehin vor Lachen sterben, wenn er meine Schmerzensschreie hörte.
Mademoiselle de Montargis de la Roncière – im Hafen von St. Victor gab sie ihren richtigen Namen an – hob ihren ebenholzfarbenen Rock beim Gehen adrett ein Stückchen hoch und trug Holzschuhe, um die Seidenschuhe darunter vor dem Dreck der Straße zu schützen. Als wir Paris betraten, warf sie mir hinter ihrem Fächer ein verschlagen-kokettes Lächeln zu.
»So werdet Ihr auch lächeln, wenn sie mich hängen«, bemerkte ich mürrisch. Ich empfand es als schwer, die Fassung zu bewahren, da meine Größe mir erlaubte einen eingehenden Blick in
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