1610 - Knochen-Lady
denken sollte. Abgesehen von der Farbe sah ich an ihm nichts Besonderes. Das hatte de Soto wohl anders gesehen und die Schuld für sein Tun auf den Schädel geschoben.
Damit hatte ich meine Probleme, obwohl ich mich daran erinnerte, dass ich schon öfter seltsame Dinge mit Totenschädeln erlebt hatte. Da waren sie manipuliert worden, und das war möglicherweise bei diesem Totenkopf auch der Fall.
Noch hatte ich ihn nur angeschaut und nicht angefasst. Das änderte ich in den nächsten Sekunden, indem ich meine Arme ausstreckte und meine Handflächen gegen die beiden Seiten drückte.
Der Gegenstand fühlte sich normal an. Er war auch nicht leichter oder schwerer als ein normaler Totenkopf. Bis auf die Farbe war er anscheinend völlig normal.
Ich blieb nicht vor dem Schrank stehen, sondern drehte mich um und ging mit meiner Beute dorthin, wo ein alter runder Tisch stand. Ein Sessel davor lud zum Sitzen ein. Die Sitzfläche gab ziemlich stark unter meinem Gewicht nach, aber ich war froh, mich für einen Moment ausruhen zu können.
Irgendwie fühlte ich mich komisch. Eine gewisse Gleichgültigkeit hatte mich erfasst. Ich fragte mich plötzlich, was ich hier tat oder ob ich mich nicht auf einer völlig falschen Spur befand.
Mir kam die Idee, meinen Freund Bill Conolly anzurufen, der sicherlich schon auf eine Nachricht wartete.
In der Nähe stand ein altes Telefon mit einem Hörer, der noch auf einer richtigen Gabel lag. Es war auch angeschlossen, doch ich entschied mich trotzdem für mein Handy und hörte gleich darauf Bills Stimme.
»Und? Hast du etwas erreicht?«
»Teilweise.«
»Wieso?«
Ich gab ihm einen knappen Bericht und hörte sein leises Aufstöhnen, als ich sagte, was ich gefunden hatte.
»Und wo ist der Schädel jetzt, John?«
»Er steht vor mir auf dem Tisch.«
»Toll. Und weiter?«
»Nichts.«
»Wieso nichts?«
»Es ist ein gelb angestrichener Totenschädel und nichts weiter. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
»Ja, nach außen hin. Aber müssen wir nicht davon ausgehen, dass er so etwas wie eine Seele hat?«
»Meinst du?«
»Bestimmt.«
Ich warf dem etwas makabren Fundstück einen schrägen Blick zu.
»Nun ja, man kann von außen nicht erkennen, was in ihm steckt. Da muss ich dir schon zustimmen.«
»Genau, mein Lieber. Aber grundlos steht er da nicht herum. Da kannst du sagen, was du willst. Hast du ihn denn schon mal mit deinem Kreuz getestet?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Solltest du aber. Und du musst herausfinden, welche Verbindung zwischen Rick de Soto und dem Ding da besteht. Der Kerl hat Johnny doch nicht umsonst angegriffen. Es hat eine Verbindung zwischen ihm und dem Schädel gegeben. Oder gibt es noch.«
»Gut, Bill. Ich werde mich mal genauer mit dem Ding beschäftigen. Sollte sich etwas tun, gebe ich dir Bescheid.«
»Nein, das musst du nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich zu dir kommen werde. Ich habe keine Lust mehr, hier zu Hause hocken zu bleiben. Ich komme zu dir, dann gehen wir das Ding gemeinsam an.«
Überrascht war ich nicht. Ich hatte nur damit gerechnet, dass Bill schon früher mit dem Vorschlag herausgerückt wäre. Abschlagen konnte ich ihm den Wunsch nicht, schließlich hatten er und Johnny den Stein ins Rollen gebracht.
»Was ist, John?«
»Okay, ich warte auf dich.« Sicherheitshalber gab ich ihm die Adresse durch und erklärte ihm auch, wie er zu dieser seltsamen Behausung fand.
Damit war er zufrieden.
»Aber du bringst Johnny nicht mit, oder?«
»Ja. Er ist außerdem nicht da.«
»Das ist gut.«
»Okay, dann warte auf mich.«
»Mach ich.«
Es war unter Umständen wirklich besser, wenn ich auf Bills Hilfe vertraute.
Wir beide waren ein ebenso eingeschworenes Team wie Suko und ich. Inzwischen hatte ich auch meinen alten Optimismus zurück gefunden und die alte Power. Deshalb war ich überzeugt davon, dass mehr hinter diesem Schädel steckte.
Ich konzentrierte mich erneut auf ihn. Mein Blick fiel durch die Löcher ins Innere, wo allerdings nichts zu sehen war. Nur eine dunkle Leere, und das war normal.
Wenn es zutraf, dass de Soto Befehle von dem Schädel empfangen hatte, dann musste es ein Geheimnis geben, das in ihm steckte. Ob mein Kreuz das herausfand, war fraglich, denn bisher hatte es sich nicht gemeldet.
Es kam auf einen Versuch an.
Es war für mich schon zur Routine geworden, Gegenstände mit meinem Kreuz zu testen.
Ich holte es hervor. Es lag auf meiner Hand, ohne sich zu erwärmen.
Das sah ich als kein gutes Zeichen an.
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