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162 - Das Grauen aus der Baring Road

162 - Das Grauen aus der Baring Road

Titel: 162 - Das Grauen aus der Baring Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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um sich wie Sonnenglast in der Mittagshitze oder die Luftschlieren über einem erhitzten Ofen. Das Zimmer, die Möbel, alles war ebenfalls in Veränderung begriffen. Palawaikö hatte das Gefühl, im Freien zu stehen. Der Boden wurde zur leicht bewegten, bläulich schimmernden Fläche, über der sich ein blauer Himmel spannte, an dem nur wenige Wolken dahintrieben.
    Inmitten dieses Blaus, das an einen weitläufigen See erinnerte, kauerte Irmina. Sie hatte sich umgewandt und war in die Hocke gegangen. Sie war nun nackt - eine durchaus verführerische Frau mit dunkler, rotbrauner Haut, doch die Stelle ihres Kopfes nahm ein Gewirr aus unzähligen ineinander verstrickten Schlangenleibern ein, ein zuckendes und zischendes Knäuel braungebänderter Reptilien. Ein anderer als Palawaikö wäre vermutlich entsetzt zurückgeprallt; er brauchte nur ein Wort zu murmeln, um die Natternbrut vom Angriff auf sich abzuhalten.
    Endlich konnte er auch erkennen, weshalb Irmina sich abgewandt hatte. Mit ihrer wahren Gestalt hatte sie zugleich ihre Kräfte zurückgewonnen und schien entschlossen, ihn zu vertreiben. Ihre Magie ließ den Schrank zersplittern und die Trümmer zu mannsgroßen Felsbrocken wachsen. Überrascht sah Palawaikö zu, wie auch die Hasen eine erschreckende Verwandlung durchmachten. Er griff zu spät ein, um deren Wachstum verhindern zu können. Schon waren sie gut eineinhalb Meter große, monströse Kolosse.
    „Sie werden dich zerreißen", triumphierte Irmina. Ihre Stimme klang jetzt dunkel und sinnlich betörend.
    Palawaikö handelte, ohne zu überlegen, trennte sich vom Geist des Indianers, mit dem er nach wie vor verbunden war. Gierig sogen die drei wachsenden Monstren ihn auf. Gut zweieinhalb Meter wurden sie groß, Kreaturen, die einem Alptraum entsprungen sein konnten. Ihre Haut, fast schwarz, runzlig und von armdicken Sehnensträngen durchzogen, schien das Licht förmlich zu absorbieren. Mit seinen gebogenen, weit ausladenden Stoßzähnen erinnerte eines dieser Geschöpfe am ehesten an ein urweltliches Mammut. Doch dort, wo der Rüssel sich befunden hätte, zuckten ausgeprägte Hautlappen über einen mächtigen Schlund.
    Von der rechten Seite her starrte eine walroßähnliche Kreatur Palawaikö aus riesigen Augen an. Unterarmlänge Hauer wuchsen aus seinem Kiefer, und seitlich ragten zwei noch längere, spitze Hörner aus den Schläfen hervor. Ein einziger Schlag mit dem Schädel mochte genügen, um einen Menschen zu durchbohren.
    Gut einen Kopf größer wirkte das Ungeheuer zwischen den beiden. Es besaß das Aussehen eines Götzen mit leeren Augenhöhlen, auf gewölbten Backenknochen und einem Rachen, der gut die Hälfte des Schädels einnahm. Die kräftigen Hörner waren nach unten gebogen.
    Langsam wandte Irmina sich um. „Er gehört euch", rief sie und deutete auf Palawaikö. Aber nur ein dumpfes Grollen drang aus den Rachen der drei dämonischen Bestien. Die Mammutähnliche schüttelte den Schädel.
    „Sie gehorchen dir nicht, Irmina", sagte Palawaikö voll beißendem Spott. Er kostete seinen Triumph aus. „Du wirst dich damit abfinden müssen, daß ich über dein Schicksal bestimmen werde. Und jetzt höre mir zu…"

    Mehrmals ging Dorian Hunter den kurzen Streckenabschnitt zwischen den beiden Straßen ab, ohne allerdings etwas zu finden, was ihm irgendwie weitergeholfen hätte. Einige Anwohner ließen ihn nicht mehr aus den Augen. Er konnte regelrecht spüren, daß sie sich die Mäuler über ihn zerrissen, aber das störte ihn wenig, solange sie ihn in Ruhe seine Arbeit tun ließen.
    Die Sonne, die ein kurzes Gastspiel gegeben hatte, verbarg sich erneut hinter aufziehenden Regenwolken. Es wurde merklich düsterer. Gleich darauf fielen die ersten schweren Tropfen. Dorian seufzte. Es hatte wenig Sinn, hier weiterzusuchen. In Gedanken rekapitulierte er, was er bislang wußte. Es war keineswegs überwältigend viel. Und dennoch: Irgendwie hatte alles in der Baring Road begonnen. Ausnahmsweise schien Miß Pickford den richtigen Riecher besessen zu haben. Aber was war wirklich während der Nacht geschehen? Hatte sie sich den Vampir nicht nur eingebildet? Dorian dachte an die verkohlten Blätter in seinem Archiv und an den geschwärzten Stein. „Verdammt!" entfuhr es ihm, und er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Sah er wirklich den Wald vor lauter Bäumen nicht? Die Echsengestalt hätte ihm weit eher zu denken geben müssen. Die unbewußte Ahnung, die ihn die ganze Zeit über begleitet hatte,

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