162 - Das Grauen aus der Baring Road
wurde zur Gewißheit, denn auch Donald Chapman war in Arizona kurz zu einem solchen Geschöpf geworden.
War der Stein, den er seiner Sammlung einverleibt hatte, nicht nur ein Stück lebloser Materie? Dann hatte er eine Art trojanisches Pferd nach London gebracht. Vieles gewann dadurch eine logische Erklärung.
Dorian wußte nun, wo er mit den Nachforschungen beginnen würde: In seinem Archiv im Keller der Villa.
Hastig kletterte er den Bahndamm hinauf. Die Leute, die ihn bisher nur beobachtet hatten, kamen auf ihn zu, stellten eine Menge neugieriger Fragen. Aber sie wichen zurück, als Dorian ihnen einen unwilligen Blick zuwarf.
Die Regentropfen fielen dichter. Der Asphalt, gerade erst halbwegs abgetrocknet, überzog sich erneut mit einer schmierigen Nässe. Der Dämonenkiller schlug seinen Mantelkragen hoch und ging unwillkürlich schneller. Er mußte von der nächsten Zelle aus anrufen und Sullivan und Miß Pickford warnen. Falls er tatsächlich eine dämonische Macht in die Villa eingeschleppt hatte, bestand die Gefahr, daß diese noch in unmittelbarer Nähe lauerte, womöglich gar fähig war, die vielfältigen Sperren zu überwinden.
Eine Bö peitschte ihm den Regen ins Gesicht. Dorian duckte sich gegen den Wind. Hinter einem Gartentor er kannte er eine flüchtige Bewegung.
„Sie sind Jeffrey Slikker gefolgt", sagte eine Fistelstimme. „Ich habe Sie beobachtet. Wollen Sie Informationen?"
Dorian wandte sich abrupt um, zog überrascht die Brauen hoch, als er die verwachsene Gestalt sah. Der zunehmend heftiger werdende Regen ließ der Frau die Haare in klatschnassen Strähnen ins Gesicht hängen. Sie schien sich nicht daran zu stören. Dorian sagte sich, daß er selbst kaum einen besseren Anblick bot.
Die Frau hielt seinem durchdringenden Blick stand, mit dem er sie von oben bis unten musterte. „Was können Sie mir erzählen, was ich nicht schon weiß?" meinte er.
„Sehr viel, denke ich." Eine verkrüppelte, knochige Hand öffnete das Gartentor. „Kommen Sie, fühlen Sie sich bei Irmina wie zu Hause."
Ein Hauch von Skepsis umspielte Dorians Mundwinkel. „Ich nehme an, Sie sind Irmina. Sie haben wenig Bekannte?"
„Keine, um genau zu sein, seit Hekate mich aus der Schwarzen Familie ausstieß. Ich lebe nur mehr für meine Rache, und eines Tages wird der richtige Zeitpunkt kommen. Ich glaube sogar, er ist nicht mehr fern."
Dorians spontane Vermutung war also richtig gewesen. Die Frau war ein Freak. Welche Position mochte sie einst in der Familie innegehabt haben?
„Schießen Sie los", forderte er sie auf.
„Nicht hier." Irminas einladende Geste besaß etwas Unterwürfiges, was ihm absolut nicht gefallen wollte. „Folgen Sie mir ins Haus.
Sekundenlang konzentrierte Dorian sich. Er nahm keine schwarzmagische Ausstrahlung wahr. Doch das hatte mitunter wenig zu bedeuten. Vorsichtshalber murmelte er einen Bannspruch und malte mit der Linken magische Zeichen in die Luft.
Irmina blickte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. „Sie vertrauen mir nicht. Das ist bedauerlich." „Ich will nur sichergehen", erwiderte Dorian. „Bestimmt erfolgte unser Zusammentreffen nicht zufällig."
Die Frau nickte stumm.
„Entscheiden Sie sich, Mr. Hunter", sagte sie dann. „Sind wir nicht Verbündete, wenn es darum geht, die Familie zu bekämpfen?"
Falls er erstaunt war, daß Irmina seinen Namen und offensichtlich noch mehr über ihn wußte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Entschlossen betrat er die aufgeworfenen Waschbetonplatten, die zum Haus führten.
Schon unter der Tür zuckte Dorian zusammen, als habe er einen Schlag erhalten. Die Gemme, die er stets an einer Kette auf der Brust trug, machte sich plötzlich durch eine ausstrahlende Kälte bemerkbar. War das ein Hinweis darauf, daß doch dämonische Mächte auf ihn lauerten?
Der Dämonenkiller blieb stehen. „Was Sie mir mitzuteilen haben, können Sie nun sagen", stellte er fest.
Paktierte Irmina mit den Dämonen? Nach allem, was die Schwarze Familie den Ausgestoßenen antat, ein nur schwer vorstellbarer Gedanke. Trotzdem war Dorian auf der Hut. Er war praktisch waffenlos, hatte schließlich nur mit Sullivan zum Essen fahren wollen.
„Erlauben Sie wenigstens, daß ich mir trockene Sachen anziehe", sagte Irmina. „Ich möchte nicht gern wegen einer Erkältung ans Bett gefesselt sein."
Dorians Rechte zuckte vor und umklammerte ihren Oberarm. Seine Gesichtszüge verhärteten sich schlagartig.
„Sie tun mir weh", stöhnte Irmina und
Weitere Kostenlose Bücher