1621 - Colounshabas Waffe
geschaffen?"
„Er hat seinen Skulpturen in den meisten Fällen die Form gegeben, die am besten zu dargestellten Thema paßte", erklärte Colounshaba. „Wenn das so ist, will ich gar nicht wissen, welcher Unrat hier mathematisch erklärt werden soll", sagte Phaourongusta - und eilte weiter. Colounshaba folgte dem greisen Museumswächter ergeben.
Sie brachten die nächsten Etagen geradezu in Windeseile hinter sich, und Colounshaba merkte, daß Phaourongusta um manche Skulpturen einen großen Bogen machte, weil sie ihm offenbar zu uninteressant oder zu kompliziert erschienen. Erst als sie auf diese Weise an die hundert Ausstellungsstücke übersprungen hatten und die halbe Höhe des Tempels erreicht hatten, verhielt Phaourongusta wieder einmal vor einer Plastik und sagte: „Die Bedeutung dieses Körpers werde ich wohl nie begreifen."
Die etwa halb arcoanagroße Skulptur war aus reinweißer Formenergie gefertigt und sah einem triploiden Kristall ähnlich, dessen gemeinsame Basis ein unregelmäßiger Vielflächner war. „Ich weiß wohl, daß es sich um ein Modell handelt, mit dem die Wechselwirkung kosmischer Energien veranschaulicht werden soll", fuhr Phaourongusta fort. „Aber das ist auch schon alles. Darüber weiß jedermann Bescheid, ohne deswegen die Geheimnisse eines so komplizierten Gebildes verstehen lernen zu müssen. Das ist mir zu hoch."
„Laß mich einen Einblick in die Formelkette nehmen", bat Colounshaba, um sich endlich wieder einmal etwas vertiefen zu können. „Vielleicht kann ich dir dann ein wenig weiterhelfen."
Da das Grundschema bei allen von Boogolamiers Plastiken gleich war, fiel es ihr nicht schwer, den miniaturisierten Formenergieprojektor aufzurufen und den Formelgeber einzuschalten. Die drei Zacken des Kristallgebildes wurden an verschiedenen Stellen durchsichtig, so daß man eine Stufe tiefer in sie blicken konnte. Neben einer Reihe verwirrend scheinender Linien und Bögen wurde auch eine einfache Formel sichtbar, mit der man den Energiehaushalt des Universums berechnen konnte.
Colounshaba ging Stufe um Stufe tiefer in die Materie, wobei sie sich jedoch nicht in Einzelheiten verlor, sondern sich nur einen groben Gesamtüberblick zu verschaffen versuchte. Dabei wäre es leicht gewesen, sich der Faszination des Forschens und Erkennens Teil für Teil hinzugeben und alles andere um sich zu vergessen. Aber das wäre zu zeitraubend gewesen, und sie wollte Phaourongustas Geduld nicht auf eine zu harte Probe stellen. Nachdem sie sich den angestrebten Überblick verschafft hatte, schaltete sie den Formelgeber ab, und die triploide Kristallskulptur erstrahlte wieder in undurchsichtigem Weiß. „Mit dieser Plastik kann man den Energieaustausch zwischen Supra-Raum und den Universen des Multiversums berechnen - einfach ausgedrückt", sagte Colounshaba. „Kannst du dich damit zufriedengeben, Phaourongusta? Wenn du Einzelheiten wissen willst, mußt du allerdings etwas Zeit opfern."
„Das langt; es ist mehr, als ich verarbeiten kann", sagte Phaourongusta beschwichtigend und winkte ab. „Ich habe gar nicht vor, auf meine letzten Tage an den Geheimnissen des Multiversums rühren zu wollen."
„Wenn es dir recht ist, dann können wir die Exkursion abbrechen", bot Colounshaba dem Greis an. Sie hatte eingesehen, daß es wenig Sinn hatte und ihr nichts brachte, wenn sie den Tempel der 5. Dimension in diesem Tempo durcheilten. Es hätte zumindest einiger Tage bedurft, um sich wenigstens einen groben Überblick zu verschaffen. Sie fügte hinzu: „Ich würde mich gerne erst einmal in meiner Unterkunft ausruhen."
„Mir wäre das auch nur recht", sagte Phaourongusta erleichtert. „Komm, ich bringe dich in dein neues Zuhause. Es ist immer gut, zuerst für das körperliche Wohlergehen zu sorgen, bevor man den Geist strapaziert."
Phaourongusta hatte sich wirklich darum bemüht, es ihr an nichts fehlen zu lassen. Ihr wurde jeder Komfort geboten, und sie konnte über eine umfangreiche wissenschaftliche Ausrüstung verfügen. Phaourongusta hatte sogar an eine Einrichtung gedacht, die es ihr ermöglichte, ihr Quartier jederzeit umzugestalten.
Von dieser Möglichkeit gedachte sie jedoch keinen Gebrauch zu machen. Es gefiel ihr alles so, wie der Museumswächter es gestaltet hatte. Es würde lediglich nötig sein, einige zusätzliche Geräte für ihr spezielles Forschungsgebiet einzubauen und die Kapazität der Rechenanlage zu vervielfachen. Ja, und dann mußte sich Colounshaba nach einer speziellen
Weitere Kostenlose Bücher